Männer ab den späten 20ern haben es in Sachen Mode nicht einfach. Wo bei der Damenwelt die Trendstücke nur so herabregnen und es auch sozial akzeptiert ist, wenn Ladies sich ausgefallener kleiden, sieht die Männermode-Sachlage so aus, dass es oftmals nur Extreme gibt: Entweder extrem trendig oder extrem konservativ. Und in der Grenzwelt zwischen 20 und 30 ist beides selten die richtige Wahl. Ganz kompliziert wird es, wenn dann auch noch Kinder im Spiel sind. Dreckige Fingerdatschen am Hemd oder Schmutzspuren auf der Hose sind eben nicht State-of-the-art. Doch mit etwas Fingerspitzengefühl lässt sich eine Gratwanderung vollziehen. Wie Sie es können, zeigen wir im folgenden Artikel.
1. Vorteil Alter?
In Sachen Mode sind die männlichen Spät-Zwanziger und Früh-Dreißiger gehörig in der Zwickmühle. Denn in klassischer Jugendkleidung mit grellen Farben und Mustern wirkt man(n) etwas wie ein Berufsjugendlicher – vor allem wenn Kinder an der Hand herum tollen, wirkt das doch ein bisschen fehl am Platz. Umgekehrt kann es aber auch sein, dass man in gesetzt-konservativen Herrenkleidern samt akkurat gestutztem Schnurrbart wie sein eigener Vater und damit wie der Großvater wirkt – beides nicht sonderlich erstrebenswert.
Doch man muss die Sache einfach umgekehrt betrachten. Denn diese Nachteile lassen sich durchaus umdrehen. Beispiele gefällig?
- Als Jung-20er wirkt man u.U. im Anzug eher wie ein Konfirmand. Als Spät-20er hingegen wie ein cooler Business-Mann
- Mit 18 eine Cordhose zu tragen, sieht nach Hipster aus, Anfang 30 passt es aber – und weil man noch jung ist, wirken dazu auch dezente Sneaker cool
- Als 55-Jähriger ein ausgeschnittenes V-Neck-Shirt zu tragen, sieht nach Jugendwahn aus. Beim Spät-20er einfach nach normaler Mode
Diese Liste lässt sich noch lange fortsetzen, denn in diesem Alters-Mittelfeld ist es gerade ein Vorteil, dass man sich aus beiden Welten bedienen kann, ohne aus der Rolle zu fallen.
2. Zeitlos-Cut statt Fashion-Victim
Schlips und Anzug wirken bei vielen Männern erst jenseits der 30 wirklich gut. Vorher ist oft das Gesicht noch zu jugendlich.Ja,“Frauen haben bei zeitgenössischer Mode ungleich mehr Auswahl. Dafür haben Männer aber einen Vorteil, um die sie so manche Frau beneiden dürfte: Sie können aus einer Bandbreite wirklich zeitloser Modestücke wählen. Manche schon ein Jahrhundert alt, ohne dass man ihnen das anmerkt.
Das vielleicht klassischste Beispiel ist der Trenchcoat. Gleich sein erster Vorteil ist, dass man ihn als Mann erst jenseits der 30 wirklich tragen kann, ohne Grinsen zu erregen. Und dann ist er noch unheimlich vielfältig: Ob nun als Regenschutz über dem Anzug (natürlich in klassischem Khaki) oder in der knielangen Form zur dunklen Jeans und Hemd. Und das italienische Label Stone Age, das generell für sehr ausgetüftelte Schnitte bekannt ist, hat dem „Grabenmantel“ sogar durch einige wenige Veränderungen die Strenge genommen – Modelle wie der Ghost Piece sind zwar nach wie vor durch und durch Trenchcoat, durch den moderneren Schnitt jedoch noch breitentauglicher als das Ursprungsmodell.
Und diese Zeitlosigkeit zieht sich in der Welt der späten 20er und frühen 30er durch viele weitere Kleidungsstücke. Man(n) sollte nur einige Schnitt-Grundregeln beherzigen. Dann fällt einem rasch auf, wie viel Mode darunterfällt:
- Hosen mit „normalem“ Schnitt. Also weder trendig mega-eng, noch ausgebeult. Bei Jeans ist das beispielsweise der „Regular Cut“ (so nennen es die meisten Hersteller)
- Gibt es ebenfalls schon seit über hundert Jahren und sind der perfekte Mix zwischen Hemd und T-Shirt – und somit sowohl für Arbeit wie Freizeit geeignet
- XL-Strickpullover. Waren in Kindertagen als kratzige Winterkleidung verpönt und werden von den meisten Männern an Frauen gehasst, wirken aber bei ihnen selbst, gerade als grob gestrickter Troyer, in Verbindung mit ausgewaschenen Jeans extrem kernig
- Klar kann man auch jenseits der 30 noch Sneaker tragen. Aber mit einem anständigen Paar Lederstiefel à la Timberlands tritt der Herr von Welt einfach erwachsener auf. Allerdings: Fürs Business sollten es feinere Stiefel sein. Die honigfarbenen Work-Boots wirken dafür doch zu sehr nach Holzfäller
Und dann natürlich noch die Accessoires. Wo man als 18-Jähriger höchstens eine Digitaluhr stilvoll tragen kann, darf es ein Dutzend Jahre später auch ein Vintage-Stück mit mechanischem Werk sein. Eine Silberkette mit Kreuz? Perfekt. Doch gilt gerade bei den Accessoires: Der erwachsene Mann zeichnet sich dadurch aus, dass er diese nur zurückhaltend trägt. Eine Schmuckregel besagt „Pro Extremität nur eines“. Links also die Uhr, rechts ein (Ehe-)Ring und um den Hals eine Kette ist cool genug.
3. Vergiss Farbe
Hüte sind schon lange aus der Mode und können außerhalb des Wilden Westens nur von älteren Herren halbwegs seriös getragen werdenJedem Teenager sein Neon-Regenbogen. Aber auch wenn die Herrenmode generell bunter wird, sollte man mit 30 beginnen, es ein Stück dezenter angehen zu lassen. Dabei gibt es eigentlich nur eine Regel: Generell gesetztere Farben verwenden und wirklich Grellbuntes nur als Tüpfelchen, das den Look abrundet.
Und da kommen wir direkt zur gigantisch großen Palette der Erdtöne, auch bekannt als Naturfarben. Darunter fällt buchstabengetreu alles, was in der Natur vorkommt. Auf der hellen Seite wäre das beispielsweise das „Dunkelweiß“ von ungefärbter Wolle, weiterführend über die vielen Sand-Töne. Und es zieht sich quer über die Farbpalette von Weinrot und Meeresgrün bis hin zu torfigem Dunkelbraun. Es ist also alles erlaubt, was nicht gerade nach Laser-Blau oder Neon-Pink aussieht. Eben gesetzt und reifer, wie ein Mann, der die 30 hinter sich hat.
4. No-Go Hut
Eines geht jedoch auch am Ende der 20er noch nicht (und auch für so einige Jahre danach) und zwar Hüte. Ja, man sieht in den Innenstädten immer wieder Fedoras, Trilbys und sogar Melonen auf Herrenköpfen im Schrittmaß auf und ab wippen. Wenn man allerdings nicht ein ausgesprochener Hipster ist oder der Rente entgegensieht, sind Hüte leider keine Wahl.
Hersteller versuchen zwar in schöner Regelmäßigkeit, den Herrenhut wiederzubeleben, aber nachdem schon John F. Kennedy in den frühen 60ern als erster US-Präsident „oben ohne“ herumlief, haben Kopfbedeckungen mit umlaufender Krempe bei jungen und junggebliebenen Männern heute nichts mehr verloren. Wenn man jedoch nicht verzichten möchte und bei Basecaps nichts Passendes findet, sollte der Griff zu dem gehen, das im Rhein-Main-Gebiet als „Batschkapp“ bezeichnet wird: Die klassische Schiebermütze. Aber bitte mit dem Schirm nach vorne. Umgedreht war ausschließlich in den 1990ern noch modisch akzeptabel.