Kinder als Brillenträger? Ein normales, alltägliches Bild. Aber Kinder als Kontaktlinsenträger sind doch irgendwie eine seltsame Vorstellung, oder nicht? Immerhin kommen Kontaktlinsen mit weitaus mehr Aufwand und Arbeit als nur das Auf- und Absetzen eines Brillengestells – und irgendwie fühlen sich Linsen doch wie etwas Erwachsenes an. Oder unterschätzen wir unsere Kinder hier, wie so oft?
Etwa ein Fünftel aller Kinder besitzt eine Sehschwäche, hat der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V festgestellt – 20% aller Minderjährigen, wobei 60% der Sehfehler von Kindern und Jugendlichen unbehandelt bis ins Erwachsenenalter bleiben und sich bis dahin fest entwickelt und festgesetzt hat. Das ist zwar immer noch wesentlich weniger als die stolzen zwei Drittel, oder 67% der Erwachsenenbevölkerung, die laut aktuellster Studie eine Sehhilfe tragen, aber immer noch hoch genug. Vor allem, da eine frühe Erkennung einer Sehschwäche bei Kindern eben jene Schwäche sogar noch ausgeglichen werden könnte. Das Sehen ist uns angeboren – gemeistert wird es allerdings erst etwa im Alter des Schuleintritts. Und da Kinder selbst nicht einschätzen können, ob sie denn gut oder schlecht sehen – ist es an uns Eltern, für Erstdiagnose, Arzt und anschließende Sehhilfe zu sorgen.
Tatsächlich hat eine langjährige internationale Studie über sechs Jahre kurzsichtige Kinder dabei begleitet, den Umgang und das Einsetzen von Kontaktlinsen zu erlernen und zu beobachten, was die physischen und psychischen Auswirkungen sind. Ihr Fazit? Kinder im Alter von etwa acht Jahren – also nach Vervollständigung der natürlichen Entwicklung des Sehorgans – gehen fantastisch mit der Handhabung der Linsen und ihr Zubehör um, sind verantwortungsbewusst in ihren Routinen und erlebten einen Aufschwung in Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit. Die einzigen Verletzungen und Entzündungen in den sechs Jahren im marginalen Bereich waren lediglich auf falsche Handhabung zurückzuführen. Ein großer Erfolg also – und Augenöffnen. Denn machen wir uns bewusst, dass unsere Augen eines der ersten Organe sind, die „Erwachsenengröße“ erreichen (der Grund, weshalb Kleinstkinderaugen so groß auf uns wirken!), macht es Sinn, das Linsen auch auf Kinderaugen passen. Keine Gefahr also von der medizinischen Sicht der Dinge. Die Frage, die wir allerdings für uns (oder eher: unser Kind) beantworten müssen, ist: Ist mein Kind verantwortungsbewusst genug?
Kontaktlinsen – wie eingangs erwähnt – brauchen eine strikte Routine. Ohne korrekte Handhabung und vor allem Reinigung der Linsen besteht die Gefahr von Infektionen und Entzündungen verschiedener Parts der Augen – etwas, das wir definitiv nicht wollen. Was bei unserem Kind also Voraussetzung sein muss, ist ein verantwortungsbewusster Charakter. Kann ich mich darauf verlassen, dass mein Kind Aufgaben pflichtbewusst erfüllt? Versteht mein Kind die Risiken? Zu sehen ist das Ganze schon im existierenden Alltag. Werden die Zähne zuverlässig geputzt? Erledigt mein Kind Dinge, die ich ihm auftrage? Und schließlich die Frage, warum mein Kind Linsen tragen möchte – ein gutes Gespräch, Hinterfragen und Aufklären im Vornerein kann Sorgen und Unklarheiten auf beiden Seiten erfüllen.
Aber warum das Ganze eigentlich, Brillen funktionieren doch? Kontaktlinsen kommen, im Gegensatz zur Standardsehhilfe, mit gravierenden Vorzügen, vor allem im Kinderalter. Vor allem die Barrieren, die bei körperlicher Verausgabung ansonsten existieren würden, werden eliminiert. Ballspiele oder Toben beispielsweise, beides fundamentale Aktivitäten für Körper- und Sozialentwicklung, sind plötzlich wieder ohne Hindernisse, extra Aufpassen und Zurückhalten möglich – ganz zu schweigen vom vollen, uneingeschränkten Blickfeld, das eine Brille nicht bieten kann. Und auch die im Teenageralter wichtige Entwicklung des eigenen Ichs, der Persönlichkeit, wird mit einer unsichtbaren Sehhilfe und zumindest etwas vereinfacht. Wer mehr über die Möglichkeit von Kontaktlinsen für Kinder erfahren möchte, dem kann (und sollte!) der Kinderarzt und Optiker alle weiteren Fragen beantworten können.