Der Titel seines Buches spaltet die Nation: Die einen halten ihn für notwendig, weil nur mit Provokation die nötige Aufmerksamkeit geschaffen werden kann. Die anderen halten ihn für grob vereinfachend und dem so wichtigen Thema kaum zuträglich. Die Rede ist von „Deutschland misshandelt seine Kinder“, dem jüngst veröffentlichten Buch von Michael Tsokos und Saskia Guddat. Tsokos spricht aus der Praxis: Er ist ein erfahrener Facharzt, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin an der Berliner Charité. Dort hat er es immer wieder mit zum Teil schwer verletzten Kindern zu tun, deren Eltern nicht genau erklären können, wie es zu den Verletzungen gekommen ist – und die sich in“ immer mehr Ausreden und Lügen verstricken.
Mit dem Buch wollte der Autor vor allem zeigen, dass Kindesmisshandlung kein Einzelfall und die Dunkelziffer enorm hoch ist. Laut Kinderschutzbund geht man von rund 200.000 Fällen pro Jahr aus. Dabei überleben längst nicht alle Opfer – etwa drei Kinder pro Woche sterben an den Folgen des Kindesmissbrauchs, schätzt der Facharzt. Die Täter, in den meisten Fällen also die Eltern, könnten aber nur in seltenen Fällen tatsächlich vor Gericht gebracht werden. Michael Tsokos geht deshalb weit über die bloße Beschreibung hinaus, sondern klagt selbst Missstände an – auch in der Politik und im Kinderschutz, der in Deutschland seiner Meinung nach vielfach versagt hat.
Das Anliegen des Autors ist zweifelsohne lobenswert. Seine Erfahrungen und Erlebnisse, die er als Rechtsmediziner regelmäßig machen muss, schockieren. Trotzdem hagelte es Kritik für das Buch – der Deutsche Richterbund und auch der zitierte Kinderschutzbund halten viele Aussagen für zu pauschal und übertrieben.“ Auch das Medienecho viel gespalten aus. Für Eltern, die sich selbst ein Bild machen möchten: „Deutschland misshandelt seine Kinder“ ist für rund 20 Euro überall dort zu haben, wo es Bücher gibt.
Das Buch von Michael Tsokos und Saskia Guddat ist im Münchener Droemer Verlag erschienen und kostet 19,99 Euro.