2.1 Familiengründung durch medizinisch assistierte Fortpflanzung
Im Folgenden stehen die Entscheidungsbegründungen zur Elternschaft und Kinderwunschmotive im Vordergrund. Die Ausführungen beziehen sich auf empirische Studien über Paare, die auf natürlichem Wege Kinder bekommen haben. In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass bei Paaren in Unfruchtbarkeitsbehandlung ähnliche Entscheidungsbegründungen und Kinderwunschmotive vorliegen. Anschließend werden die medizinischen Ursachen der ungewollten Kinderlosigkeit, die meist zur Kinderwunschbehandlung führen, sowie die Fortpflanzungstechnologien, die eine Familiengründung für ungewollt kinderlose Paare ermöglichen, dargelegt.
2.1.1 Entscheidung zur Elternschaft und Kinderwunsch
Ausgehend von der Sozialbiologie ist ein Kinderwunsch biologisch begründet. Dabei wird angenommen, dass der Fortpflanzungstrieb angeboren ist, die Partner unter dem Aspekt der genetischen Qualität ausgesucht werden und dass die genetische Verwandtschaft eine Voraussetzung für die elterliche Fürsorge ist. An diesen Annahmen kann kritisiert werden, dass von einem genetischen Determinismus ausgegangen wird und dass das individuelle Verhalten zu stark unter dem Fortpflanzungserfolg betrachtet wird.
Im Gegensatz zu diesen sozialbiologischen Annahmen bezeichnet Günter Burkart (1994) Elternschaft als Ergebnis nicht-rationaler Entscheidungen. Diese gehören nicht zu den Alltagsentscheidungen, sondern es handelt sich um Lebensentscheidungen, die den Lebensverlauf entscheidend prägen und beeinflussen. Sie sind außerdem Ausdruck eines Willens, Wunsches, tief verwurzelter überzeugungen oder der Befolgung einer moralischen Norm. Diese Entscheidungen sind zugleich biografische Entscheidungen, die von individuellen Lebensplänen, Wertvorstellungen und sozial geprägten Orientierungen abhängen.
Ein Kinderwunsch kann durch die Annahme motiviert sein, dass durch die Zeugung von Nachwuchs das Gefühl der partnerschaftlichen Gemeinsamkeit gestärkt wird. Ein Kind wird dabei als selbstverständliches Element einer Partnerschaft angesehen und soll diese festigen. Elternschaft kann außerdem als Alternative zu anderen Lebensentwürfen (z. B. Verfolgen der beruflichen Karriere) oder als Lebenssinn betrachtet werden, womit die eigene Reife bewiesen und die Persönlichkeitsentwicklung gefärdert werden soll. Auch der Wunsch individuelle Erfahrungen weiterzugeben, kann die Entscheidung zur Elternschaft motivieren. Empirisch zeigt sich, dass ein Kinderwunsch meist von Befragten geäußert wird, die selbst als Bruder oder Schwester groß geworden sind. Dadurch entwickelt sich ein sozialisiertes Bild von Familie, welches das der eigenen Familie beeinflusst. Daher kann ein Kinderwunsch zudem durch die Erwartung bedingt sein, die eigene Kindheit nochmals zu durchleben. Daneben kann ein normativer Druck aus dem familiären oder sozialen Umfeld eine Ursache für den Wunsch zur Familiengründung sein. So entwickelt sich der Kinderwunsch möglicherweise dann, wenn Geschwister oder FreundInnen Nachwuchs bekommen.
Christa Brühler (1990) stellt beim Kinderwunsch geschlechtsspezifische Unterschiede fest: Bei Frauen ist der Wunsch nach Mutterschaft bzw. dem Erleben der Schwangerschaft von Bedeutung, weil dadurch die eigene Weiblichkeit manifestiert wird. Die mit einer Schwangerschaft verbundenen Körpererfahrungen bieten eine Möglichkeit der weiblichen Identitätsfindung bzw. eine individuelle und von der Mutter losgelöste Entwicklung. Für den Mann ist das Erleben der Schwangerschaft ebenfalls bedeutend: Voraussetzung dafür ist, dass die Entscheidung für das Kind vom Paar gemeinsam getroffen wurde, wodurch die Distanz zwischen der Schwangeren und dem Mann verringert wird. über das Erleben der Partnerin kann der werdende Vater eine Bindung mit dem ungeborenen Kind aufbauen. Männer haben darüber hinaus einen Kinderwunsch, um ihre Männlichkeit zu bestätigen bzw. sexuelle Potenz zu beweisen. Sie betrachten den Nachwuchs auch als Symbol für die Sicherheit und den Fortbestand der Beziehung. Mit dem Kinderwunsch kann der Mann seine Liebe und Treue zur Partnerin sowie Reife und Verantwortungsbewusstsein unter Beweis stellen. Auch die Weitergabe des Familiennamens kann bei Männern eine Rolle spielen.