5.4.3 Kinderwunschbehandlung: Bedingungen, Verlauf, Erfahrungen
Die finanziellen Kosten der Behandlung bedingten, dass eine Befragte ihr Studium aufgab und wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen musste (I.1w), um die Behandlung finanzieren zu können. Ein Paar berichtete, dass es auf Luxusgüter (z. B. Urlaubsreisen) verzichten musste (I.2). Die finanziellen Kosten setzten daneben Grenzen für die Anzahl der in Anspruch genommenen Behandlungszyklen: So entschieden die meisten Paare die von den. Krankenkassen finanzierten Versuche vornehmen zu lassen und weitere Behandlungszyklen nur dann, wenn ihre finanziellen Ressourcen dies erlaubten (I.2/3/5/7/8/12). Nur zwei Interviewpartnerinnen gaben an, sich keine Grenze für die Anzahl der Behandlungszyklen gesetzt zu haben. Sie planten, die Behandlung erst beim Eintritt einer Schwangerschaft bzw. nach der Geburt zu beenden, wobei auch sie einschränkten, die eigene finanzielle Situation zu berücksichtigen (I.9w/12w). Andere Paare planten die Behandlung abzubrechen, wenn körperliche und psychische Belastungen die Paarbeziehung negativ beeinflusse (I.4/6/8/12m). Ein Paar war sich über den weiteren Behandlungsverlauf uneinig: Während der Mann weitere Versuche ablehnte, da die Behandlung seine Frau körperlich stark belaste, befürwortete seine Partnerin weitere Behandlungszyklen, da die Realisierung des Kinderwunsches die höchste Priorität in ihrem Leben einnahm (I.11). Ein Paar wählte die Strategie, sich Meilensteine zu setzen: Es prüfte jeweils nach drei Versuchen die Rahmenbedingungen (z. B. finanzielle Mittel) und definierte die Behandlungszyklengrenze daraufhin neu (I.13). Ein Paar verordnete sich Pausen zwischen den Versuchen, um sich physisch zu erholen und die Fehlversuche psychisch zu verarbeiten (I.8).
Die meisten Patientinnen litten an Nebenwirkungen der Hormontherapie, wie Migräne, starke Müdigkeit, Gewichtszunahme (I.1w/3w/5w/6w/9w/11w/12w/13w/15w), Stimmungsschwankungen (I.12w/15w) bis hin zu Depression (I.6w), Angstzuständen und Panikattacken (I.11w). Zwei Interviewpartnerinnen fühlten sich durch solche Nebenwirkungen wenig belastet oder eingeschränkt. Sie empfanden diese vielmehr als zur Behandlung bzw. Erfüllung ihres Kinderwunsches dazugehörig (I.9w/13w). Bei den meisten Paaren wurde der psychische Stress durch das Warten auf das Ergebnis nach dem ET verursacht (I.2w/4w/5w/11w-13w/15w). Drei Interviewpartnerinnen (I.4w/5w/12w) wurden überstimuliert, bei zweien kam es infolge dessen zu einer Eileiterschwangerschaft (I.4w/12w), die sogar bei einer Befragten lebensbedrohlich verlief (I.12w). Bei einige Befragte endete die Schwangerschaft infolge der reproduktionsmedizinischen Behandlung in einem Abort in den ersten Schwangerschaftswochen (I.2/7/8/13). Eine Interviewpartnerin gab an, dass mit jedem Fehlversuch ein Gewöhnungseffekt auftrete. Nach einem Fehlversuch sei sie an den nächsten Versuch „schon sehr viel lockerer rangegangen“ und im weiteren Behandlungsverlauf „abstumpft“ (IT. 3, S. 4, Z. 4ff.).
Der zeitliche Koordinationsaufwand sowie der Rechtfertigungszwang gegenüber den ArbeitgeberInnen wurde von zwei Paaren als zusätzliche Belastung beschrieben (I.2/7). Einige Frauen kündigten ihre Erwerbstätigkeit, um sich auf die Behandlung konzentrieren zu können und der Doppelbelastung zu entgehen (I.6w/7w/15w). Eine Interviewpartnerin war als Gynäkologin tätig, gab diese Tätigkeit jedoch auf, weil sie sich aufgrund des eigenen unerfüllten Kinderwunsches nicht mehr in der Lage sah, z. B. Schwangere objektiv zu beraten, die einen Abbruch vornehmen lassen wollten (I.13w).