Reproduktionsmedizin - 5.4.2 Beziehungen zwischen ?rzten und Befragten

5.4.2 Beziehungen zwischen ?rzten und Befragten

 

Die ?berwiegende Anzahl der Paare wechselte die Kinderwunschpraxis im Behandlungsverlauf mindestens ein Mal, da sie mit der ?rztlichen Betreuung unzufrieden waren (I.1-4/6-9/11). Die Paare f?hrten folgende Gr?nde und Bedingungen auf, die dazu f?hrten: Einige gewannen den Eindruck, dass der Fokus dieser ?rztInnen auf dem finanziellen Profit lag (I.1-4/9) und/oder die ?rztliche Beratung weniger ausf?hrlich war, als die Informationen, die sie sich durch eigene Recherchen bzw. den Austausch mit anderen Betroffenen einholten (I.1/3/7-9/11). Einige InterviewpartnerInnen berichteten ?ber eine unpers?nliche Beratung und bezeichneten die ?rztliche Aufkl?rung und Behandlung als „Flie?bandarbeit“ (IT 9, S. 5, Z. 51) oder „normales Ruck-Zuck-Verfahren“ (IT 8, S. 3, Z. 50f.). Einige Paare wiesen darauf hin, dass die psychische Seite der Paare von den ?rztInnen h?ufig vernachl?ssigt wurde (I.2/6-9/11). Zwei Partner, die sich zu Beginn der Behandlung als medizinische Laien sahen, f?hlten sich beim ersten ?rztlichen Aufkl?rungsgespr?ch ?berfordert. Die Mitteilungen seien teilweise unverst?ndlich gewesen. Sie versuchten, sich das medizinische Wissen durch Internetrecherchen anzueignen, um die Informationen besser verstehen zu k?nnen (I.2). Die ?rztliche Betreuung verlief laut einem Befragten nach dem Prinzip „try and error“, bei der er „Versuchskaninchen“ gewesen sei (IT 4, S. 7, Z. 27f.) . Eine Interviewpartnerin empfand ihren Arzt als inkompetent, weil dieser bei der Ursachenforschung des unerf?llten Kinderwunsches einen pathologischen Befund ?bersah (Schilddr?senfehlfunktion bei I.1w). Eine Befragte f?hlte sich unprofessionell betreut, weil ihr Arzt die Symptome eines ?berstimulationssyndroms zun?chst nicht erkannte bzw. ernst nahm (I.11). Bei einem Paar stellte sich im Behandlungsverlauf heraus, dass der Biologe wenig Erfahrungen mit der Art der Behandlung (TESE) hatte (I.6). Es suchte das Gespr?ch mit ihm und seinem Reproduktionsmediziner. Dabei empfand es besonders die Wortwahl des Biologen als unsensibel: „(…) ich arbeite in eurem Fall mit Spermienm?ll.“ (IT 6, S. 5, Z. 50f.). Das Paar verglich zudem die Mikroskopbilder ihres Embryos mit Bildern von befruchteten Eizellen aus dem Internet. Ihr Embryo „sah nicht gut aus“ (vgl. IT 6, S. 52ff.). Das Paar wurde aber nicht ?ber die schlechte Qualit?t des transferierten Embryos informiert, wodurch der erste Versuch – f?r den Arzt und Biologen vorhersehbar – erfolglos endete (I.6, vgl. auch I.11). Ein Paar empfand die medizinische Betreuung durch eine schwangere Reproduktionsmedizinerin unpassend; es f?hlte sich vorgef?hrt und auf seine k?rperlichen Unzul?nglichkeiten hingewiesen (I.2). Des Weiteren wurde von einem Paar kritisiert, das sein Arzt wenig Diagnostiken durchf?hrte, um die medizinische Ursache des unerf?llten Kinderwunsches festzustellen. Es nahm an, dass dieser die Problematik der ungewollten Kinderlosigkeit wenig ernst nahm (I.12). Drei Befragte hatten das Gef?hl, in eine Maschinerie oder Behandlungsm?hle zu geraten, wobei nicht ausgef?hrt und erfragt wurde, wie sie zu der Einstellung kamen (I.3/6/9). Ferner interpretierten einige Paare das ?rztliche Verhalten als Fremdbestimmung oder Eingriff in die Privatsph?re: Einige Paare f?hlten sich von ihren ?rztInnen zur Hochzeit aufgefordert (I.2-4/12). Eine Befragte, die infolge der Behandlung schwanger wurde, wurde von ihrem Arzt aufgrund ihres Alters zu einer PND gedr?ngt, obwohl keine medizinische Indikation vorlag (I.12). Das gleichgeschlechtliche Paar berichtete, dass es die Hebamme wechselte, weil diese st?ndig nach dem (genetischen) Vater des Kindes fragte. Dies interpretierte das Paar als mangelnde Akzeptanz seiner Familienkonstellation. Es wurde dann von einer Hebamme betreut, die bereits mehrere lesbische Paare w?hrend und nach der Schwangerschaft unterst?tzt hatte (I.14).

Nach einem oder mehreren Praxiswechseln f?hlten sich die meisten Paare schlie?lich von ?rztlicher Seite kompetent und ausf?hrlich beraten (I.1/2/4/5-7/10w /12/13/15), wertgesch?tzt bzw. ernst genommen (I.3/12/13/15), individuell, pers?nlich und ?ber das Medizinische hinausgehend betreut (I.5/7/9/12/13/15/10w). Positiv bewerteten die Paare, wenn die ?rztInnen ihr Wissen, das sie sich u. a. im Internet aneigneten, und W?nsche bez?glich der Behandlungen ber?cksichtigten (I.12/13). Eine Befragte, die als ?rztin t?tig war, lobte, dass ihr Arzt beim Aufkl?rungsgespr?ch kein Fachgespr?ch mit ihr f?hrte, sondern vielmehr ber?cksichtigte, dass ihr Partner den medizinischen Sprachcode nicht beherrschte (I.13).

Zwei Paare sahen die Beziehungen zu ihren ?rztInnen vom Geschlecht oder Alter beeinflusst: So f?hlte sich eine Befragte von ?rztinnen ernster genommen als von ?rzten. Sie vermutete, dass sich Mediziner weniger in die Problematik des unerf?llten Kinderwunsches versetzen k?nnten (I.11w). Bei einem anderen Paar war das Vertrauen in einen j?ngeren Arzt gr??er als in einen ?lteren. Es nahm an, dass sich j?ngere Mediziner besser mit modernen Fortpflanzungstechnologien auskennen und auf dem aktuellen Stand der Fortschritte im Bereich der Reproduktionsmedizin seien (I.12). Zwei Paare vertrauten mehr in gro?e Kinderwunschkliniken als in kleine Privatpraxen, weil in gro?en Kliniken mehr SpezialistInnen vor Ort seien (I.4/7). Ein Paar f?gte hinzu, dass es positiv sei, dass in gro?en reproduktionsmedizinischen Zentren Frauen und M?nner parallel und gleichberechtigt medizinisch betreut werden. Lie?e sich das Paar hingegen getrennt untersuchen, etwa bei der medizinischen Ursachenforschung des unerf?llten Kinderwunsches, k?men ?rztInnen h?ufig zu unterschiedlichen und widerspr?chlichen Diagnosen (I.7).