linus philémon´s ankunft in dieser welt - teil 2

kräuterweiblein

Aktives Mitglied
obwohl ich natürlich unsagbar happy war und bin, daß unser kleiner spatz so ein kämpfer ist, überwogen die panik und die trauer. meine gebärmutter hatte schon angefangen, sich zurückzubilden, und bei jeder kontraktion dachte ich, das wäre mein kleiner...und dann erinnerte ich mich dauernd wieder daran, daß er ja aus mir raus war. das gefühl kann ich heute noch nicht abstellen. ich war noch nicht soweit, ihn freiwillig herzugeben...er wurde mir genommen, so blöd das vielleicht klingt. ich weiß, daß sonstwas hätte passieren können, und bin endlos dankbar für alles, aber ich spüre seinen verlust wie eine große, schwarze wunde in meinem körper und in meiner seele. ich machte mir vorwürfe, daß ich gift für mein baby war...und daß ich eine schlechte mutter sei, weil ich ihn nicht richtig versorgen konnte. mir sagten und sagen zwar alle, daß das blödsinn ist, und irgendwo weiß ich das ja auch, aber hirn und herz sind eben zweierlei paar schuh...und jetzt brauche ich nur eine frau mit dickem bauch sehen und könnte schon wieder heulen. ich hatte mich so auf meinen riesenbauch gefreut...ich wollte all den schmerz auf mich nehmen und ertragen, weil ich meinen sohn bewußt in diese welt entlassen wollte...und jetzt?

später kam die stillberaterin zu mir und brachte mir eine pumpe. ich pumpte sechs tage lang, ohne einen einzigen tropfen milch zu erhalten, aber ich wollte weitermachen...für meinen sohn. ich wollte ihn ernähren, wenn ich ihn schon hatte hergeben müssen...doch auch das kam anders.
meine blutwerte waren auffällig gewesen, die schilddrüsenwerte viel zu hoch. der arzt hatte mich ja direkt auf meine hervortretenden augen angesprochen und nun erklärte er mir, daß das, zusammen mit einigen anderen symptomen, die ebenfalls bei mir vorliegen, auf eine schilddrüsenüberfunktion hindeutet, die sog. morbus basedow. es wurden zig bluttests gemacht (und blut, vor allem blutabnehmen, ist bei mir echt...urks...), außerdem ein schilddrüsen-ultraschall und einiges mehr. am ende stand fest, ja, ich habe diese morbus basedow. seit der sectio habe ich auch einen absolut heftigen blutdruck. vor der sectio war damit alles ok, so daß man glaubt, daß die geburt die krankheit so richtig zum loslegen brachte. jetzt bekomme ich beta-blocker und schilddrüsenmedikamente. wegen dieser darf ich meinen schatz nicht stillen, denn glücklicherweise ist seine schilddrüse gesund! und da die medikamente in die milch übergehen, würde seine sd-funktion eben unterdrückt, was nicht sein darf.
ich hatte gedacht, daß es mich mehr mitnehmen würde, daß ich nicht stillen kann, denn für mich stand immer fest, daß ich das will, aber inzwischen komme ich damit ganz gut klar.

womit ich nicht klarkomme, ist meine angst. diese morbus basedow könnte tödlich enden, wenn man sie nicht erkennt und nicht behandelt, wie mir der arzt sagte. offenbar hatte er sich keine gedanken darüber gemacht, wie so ein spruch auf mich wirkt...bis gestern war für mich völlig klar, daß ich früher oder später (und eher früher als später) an dieser sd-überfunktion sterben würde. gestern hatte ich dann ein langes gespräch mit einer andern ärztin, die richtig geschockt war, daß ich dachte, ich würde bald sterben. sie sagte, wenn die krankheit wirklich jahrelang nicht erkannt wird, dann wäre sie wohl tödlich, aber daß ich ja jetzt behandelt werde. ich müßte halt durch die nächsten vier wochen durch, in denen ich durch die beta-blocker dauermüde und in watte gepackt wäre, aber dann, wenn die sd-medikamente erstmal anschlagen, kann man die beta-blocker absetzen und schauen, wie ich mit den medikamenten klarkomme. sobald meine schilddrüsenwerte normal wären, könnte man darüber nachdenken, ob ich mir die schilddrüse entfernen lasse oder sie mir per radio-jod-therapie veröden lasse. aber das wäre wohl frühestens in einem jahr soweit. jedenfalls müßte ich danach dann sd-hormone zuführen, aber das ist ja kein problem. das problem wäre dann nur der neuerliche krankenhausaufenthalt, denn davor habe ich absolute panik...naja...offenbar besteht auch die chance auf eine spontanheilung...worauf ich natürlich sehr hoffe...schauen wir mal.
momentan muß ich halt nur dauernd meinen blutdruck und mein blutbild kontrollieren lassen. alle meinen, die nächsten vier wochen werden ätzend, aber dann würde es mir besser gehen als vorher. sogar schlappheit und depris könnten eben von dieser morbus basedow ausgelöst werden...ganz schön heftig.

meinem sohn geht es sehr gut. bei der geburt war er 34 cm groß und 910 gramm schwer. nachdem er in den ersten tagen 15 g gewicht verloren hatte, ist er nun schon bei 950 gramm! alle sagen, er ist der kleine sonnenschein der station und will leben. er kämpft total und meistert das leben in dieser welt absolut klasse. er muß jetzt nur wachsen, fett ansetzen und regelmäßig atmen, denn ein paarmal am tag vergißt er das noch, aber das ist ganz normal für frühchen. sein gehirn und seine nieren wurden letztens per ultraschall untersucht und es ist alles in bester ordnung.

inzwischen darf ich etwa anderthalb bis zwei stunden am tag "känguruen", ihn also auf meiner brust liegen haben und mit ihm schmusen. es ist überwältigend, wie genau er weiß, daß ich seine mama bin und daß mein mann sein papa ist. kaum singt der papa etwas für ihn, beruhigt er sich. und kaum ist er auf meiner brust, ist alles in bester ordnung. wenn die schwestern ihn dann runternimmt, brüllt er los...

ich weiß, daß all das sehr positiv klingt, und ich weiß, daß alles hätte viel, viel schlimmer enden können. wenn ich das alles so schreibe, denke ich auch, wo eigentlich mein problem ist...aber ich komme emotional nicht klar. zwar meinen alle ärzte, daß ich erstens die umstellung von schwanger auf nicht-mehr-schwanger ertragen muß und dann zweitens die hormonsituation durch die morbus basedow dazukommt (und eben die damit verbundene angst ud natürlich auch das runtergezogen-sein von den medikamenten), aber das ist kein trost für mich. ich glaube, ich werde mir bald eine therapeutin suchen, mit der ich über all das reden kann, denn ich komme allein nicht gut klar. mein mann ist die ganze zeit für mich da, hat sich sogar urlaub genommen, um sich um uns zu kümmern, aber ich muß einfach soviel über all das reden...und er selbst ist ja auch betroffen.

die zeit ist momentan alles andere als leicht...ich heule noch immer total viel und bin kräftemäßig am ende...aber ich bin unendlich dankbar für meinen wundervollen sohn und für meinen liebevollen ehemann...und ich bin den göttern dankbar, daß sie ihre hände über uns gehalten haben...

das kräuterweiblein
 
E

Elchen

Guest
:heul Oh Gott kräuterweiblein,ich weiß gar nicht,was ich sagen bzw schreiben soll.......

Ich kann es gar nicht glauben,denn der E.T.steht ja sogar bei Dir noch drunter!!Oh mein Gott,was musst Du eine Angst gehabt haben um Dein Kind!Und ich bin so froh und erleichert zu hören,daß Dein Sohn lebt,auch wenn er noch sooo klein und zierlich ist!!

Mir bleibt gerade echt die Spucke weg ,aber eines wüsche ich Dir von ganzem Herzen...das Dein Sohn Linus so eine Kämpfernatur bleibt und daß Du bald einen gesunden Jungen zu Hause hast..

Ich bin tief bestürzt muss ich zugeben :heul :troest
 
F

fussel

Guest
oh,da steht ja teil 2!!mensch,das ist ja ein kleines würmchen,aber er ist stark.er wird es schaffen!!!wünsche euch alles gute!! :maldrueck
 
U

User 5

Guest
Hallo Kräuerweiblein!

Deine Geschichte liest sich wirklich furchtbar. Du hast Schlimmes durchstehen müssen ! :troest

Suche doch professionelle psychologische Hilfe auf. Du musst jetzt was für dich tun und ich denke das wäre ein guter Anfang !

Ich wünsche dir und deiner kleinen familie alles erdenklich Gute ! :maldrueck
 
L

liuna

Guest
Hallo Kräuterweiblein

Mir laufen die Tränen und in Gedanken bin ich bei euch. Ich bewundere deine Art, wie du dieses Erlebnis aufgeschrieben hast. Ich wünsche dir viel Kraft, bei der Verarbeitung eurer Erlebnisse und wünsche deinen Sohn herzlich willkommen auf unserer Muttererde! Und dir gute Besserung für deinen Körper und deine Seele.

Alles Liebe Liuna
 

Carmen

Namhaftes Mitglied
Hallo Kräuterweiblein,

ich habe Deinen Bericht auch mit geschockten Gefühlen und :heul Augen gelesen... so ein Trauma muß wirklich erst verarbeitet werden und ich bin froh, daß Du Dir professionelle Hilfe holen willst.
Du schreibst, es ist KEIN Problem... ich finde, das was Du durchgemacht hast ist schlicht und einfach HORROR PUR!!!

Ich wünsche Dir und Deinem kleinen Würmchen ganz ganz viel Kraft, daß er schnell zunimmt, groß und kräftig wird und Ihr ihn ganz bald aus dem KH zu Euch nach Hause holen könnt.

Halt uns auf dem Laufenden...
 
I

IlkaM.

Guest
Hallo kräuterweiblein,

von mir auch einen herzlichen Glückwunsch zu Deinem Sohn!

Zu Deiner Krankheit: Tatsächlich findet bei morbus basedow oft eine Spontanheilung statt, und zwar bei 50% aller Erkrankten! Ich finde, das ist eine Mordsquote!

Überdies kann ich mir auch gut vorstellen, dass die Erkrankung durch die Schwangerschaft verschlimmert war und somit auch wieder abklingt jetzt. Hab Geduld! So, wie ich Dich sehe, kannst Du unheimlich kämpfen. Und der Glaube versetzt bekanntermaßen Berge :)
 

bobbele

*Muttertier*
hallo kräuterweiblein,

habe deinen beitrag jetzt erst entdeckt und ihn mit tränen in den augen gelesen .
ich gratuliere dir herzlich zu deinem süssen sohn und ich wünsche dir , deinem mann und deinem mini alle kraft der welt .
so wies aussieht habt ihr ja schon bewiesen dass ihr diese kraft habt , ich wünsch euch von herzen alles gute .


:winken: bobbele
 
T

tab

Guest
hallo kräuterweiblein,
mein sohn luca wurde auch in der 29. SSW per kaiserschnitt geholt. ich kann deine gefühle sehr, sehr gut verstehen. du wirst noch eine ganze weile unter all diesen ereignissen leiden, aber es geht vorbei.

die gefühle: es war noch gar nicht zeit, man hat mir mein baby zu früh raus genommen, ich bin eine schlechte mutter (konnte nicht einmal ein kind austragen usw.), aber auch das gefühl, etwas unheimlich schönes, nämlich eine normale geburt, verpasst zu haben werden dich noch eine zeit lang begleiten und es ist gut, wenn du jemanden hast, mit dem du darüber sprechen kannst. da die unmittelbare umgebung meistens erwartet, dass man schnell über so etwas hinwegkommt bzw. nicht versteht, dass man unter all den genannten gefühlen leiden kann, ist jemand unbeteiligter oft hilfreicher. ich habe damals eine psychologin aufgesucht. ich war so an die fünf bis sechsmal bei ihr und heulte mich aus.

es ist ein urinstinkt von frauen, zu gebären. nicht bei allen gleich stark ausgebildet, aber vorhanden. deshalb ist es keine schande, über den verlust dieses erlebnisses "geburt" zu trauern. bei all den frauen, mit denen ich damals (vor 8 jahren) auf der frühgeborenen-station war, war dieser schmerz zu spüren. was du erlebt hast, ist traumatisch. für dich und für dein kind.

bei mir hörte dieser "verlust-schmerz" erst auf, als unser zweites kind pünktlich und auf dem "normalen" weg geboren wurde. aber noch heute steigen mit tränen in die augen, wenn ich unser video von damals (auf der neonatologie) sehe (schau es mir deswegen nicht oft an).

liebes kräuterweiblein, nimm dir ganz viel zeit, um alles zu verarbeiten. lass die trauer zu und rede, rede, rede. und eines kannst du mir (mittlerweile 3 kinder) glauben: man wird keine gute mutter durch eine reibungslose geburt. was mutter sein bedeutet, erfährt man, wenn man nächtelang nicht schlafen kann, weil das kleine krank ist, oder später stundenlang hausübungen mit ihm macht, wenn man sich all die problemchen und probleme anhört, tröstet, rat gibt, tränen abwischt, für unterhaltung sorgt und all die schönen und lästigen verpflichtungen auf sich nimmt.

ich wünsche dir und deinem kleinen spatz alles nur erdenklich gute und ganz besonders viel kraft für die nächsten monate. wenn wir uns auch nicht kennen, in gedanken bin ich bei dir.
liebe grüße
 
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