Zur Sterilisation:
Die Sterilisation der Frau ist (wie die Vasektomie beim Mann) eine operative endgültige Methode der Familienplanung. Sie ist ein absoluter Wahleingriff. Auch hier müssen die Risiken deshalb gleich 0 sein. Weil dies nicht der Fall ist, gaben die amerikanischen Gynäkologen vor 2 1/2 Jahren eine Verlautbarung heraus, die Tubensterilisationen künftig äußerst restriktiv zu handhaben. Auch in Europa wird bereits nach Kriterien gesucht, die die schlechten Erfahrungen der letzten Jahre mit Tubensterilisation und Vasektomie eingrenzen oder verbessern könnten - insbesondere durch Ausschluß von besonderen Risikofaktoren und durch wiederholte, eingehende vorgängige Aufklärung der Paare über die möglichen Folgerisiken.
Auf der Tagung der mitteleuropäischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Familienplanung und der Schweizerischen Gesellschaft für Sterilität und Fertilität) über die endgültige Familienplanung am 16. Januar 1988 in Schaffhausen wurde vor allem vom Psychiater eine „Nebenwirkungsprognose-Regel" eingehämmert, um diese eher eingrenzen zu können: Klare Bewußtheit der Betroffenen über die eigentlichen eigenen Motive für den geplanten Eingriff, eindeutiger Entschluß, größtmögliche Freiwilligkeit, ausgeglichene reife Persönlichkeit und ausgeglichene, stabile Partnerschaft. Ferner mindestens 2-malige Beratung im Abstand von 2-4 Wochen, nie unter Zeitdruck, nie während einer bereits laufenden Schwangerschaft etc.
Nach Prof. Hohl, Baden, würden immerhin 10-15 % aller tubensterilisierten Frauen den primären Eingriff bereuen und 1-2 % eine Refertilisierungsoperation erwägen.(14) Weltweit gibt es zur Zeit ca. 90 Mio. tubensterilisierte Frauen. Der Urologe H. I. Leisinger doppelte auch beim Manne nach: „Vasektomie ist nichts für labile Männer", und Prof. Bandhauer, Urologe, St. Gallen, sprach von „vielen, sehr anspruchsvollen Haftpflichtfällen".
Als Gynäkologen übersehen wir vor allem die Situation bei der Sterilisation der Frau: Sie umfaßt im wesentlichen folgende Problemkreise: Narkosezwischenfälle, Thromboembolien (vor allem, wenn der Eingriff nach einer Geburt oder unter bzw. bald nach Absetzen der OH durchgeführt wird), Blutungen und Sepsis (beides eher durch eine Unterbindung mittels Bauchspiegelung auftretend, infolge Verletzungen von großen Gefäßen oder Darmanteilen), Herzrythmusstörungen, Kreislauf- und Lungenkollaps etc. - All dies hin und wieder auch verbunden mit Todesfällen. (Ich selbst habe einen Fall erlebt mit tödlicher Lungenembolie am Spitalaustrittstag bei einer - nach der 5. Geburt - im Wochenbett durch einen Kollegen sterilisierten Frau). Risikoreich sind immer auch die Eileiterschwangerschaften: Bei Sterilisationsversagern treten sie zu ca. 50 % auf und sind mit rund 10 % an der mütterlichen Mortalität beteiligt.
Zunehmend werden heute Periodenstörungen mit verstärkter und/oder schmerzhafterer Periode ab Unterbindung gemeldet, (mit der Folge von gehäuften Gebärmutterentfernungen). Einige Autoren fanden einen nach der Sterilisation erniedrigten Gelbkörperspiegel im Blut (dies vor allem nach laparoskopischer Unterbindung) und sie vermuten eine durch die Sterilisation verursachte Durchblutungsstörung des Eierstockes als Ursache dafür. Sogar der Verdacht auf Brustkrebsförderung - ausgelöst durch diese gleiche zirkulatorisch-hormonelle Basis, wird zur Zeit durch eine größere Studie untersucht.
Ferner wird das Tampon-Schocksyndrom bei sterilisierten Frauen exzessiv häufiger vorkommend vermerkt als ohne Sterilisation.
Am häufigsten jedoch treten die zu Beginn dieses Kapitels angedeuteten psychischen Störungen aller Art auf, inkl. Libidostörungen sowie Partnerschaftsstörungen.
Zur Libido: Die Möglichkeit, schwanger werden zu können, fördert oft die Libido - und umgekehrt kann die Libido unter Umständen völlig erlöschen (der Körper also „abhängen") durch eine - auch im Unterbewußten realisierte - Unmöglichkeit, noch schwanger werden zu können. Auf dem Gebiet von Sexualität und Fruchtbarkeit manifestiert sich die grundlegend untrennbare leibseelische Einheit unseres menschlichen Wesens meines Erachtens besonders eindrücklich (was wir beim Problem der Kinderlosigkeit und der Frigidität ja längst schon kennen). Der bereits erwähnte Refertilisierungswunsch (vor allem bei veränderten Lebenssituationen) weist ein statistisches Häufigkeitsmaximum bei 8 Jahren nach dem durchgeführten Eingriff auf.
Das „Sudden-infant-death-Syndrom", d. h. der gehäufte plötzliche kindliche Tod im ersten Lebensjahr (4 pro 1000 Geburten) führte schon seit längerer Zeit zu vermehrter Zurückhaltung gegenüber einem diesbezüglichen Eingriff im Wochenbett. (Auch wir hatten innerhalb von knapp 2 Jahren 4 solcher Todesfälle, von denen 2 vorerst eine Sterilisation im Wochenbett angestrebt hatten. Beide wünschten kurz nach dem Todesfall des Kindes wieder schwanger zu werden und haben inzwischen wiederum geboren). Sicher - ein Kind ist niemals durch ein anderes ersetzbar; aber die Möglichkeit, ein weiteres Kind haben zu können, ob man davon Gebrauch macht oder nicht, kann über sehr vieles hinwegtrösten, wie sich das immer wieder zeigt.