Hisbollahs Hightech-Waffen gefährden Deutsche Marine
Von Joachim Hoelzgen
Der Bundeswehreinsatz vor der Küste des Libanon wird kein Ausflug zur Sonnenseite des Mittelmeers. Marschflugkörper, Kampfdrohnen und Kamikaze-Boote bedrohen die Deutsche Marine. Wie gefährlich die Waffen der Hisbollah sind, mussten schon die Israelis leidvoll erfahren.
Hamburg - Zum Glück kreuzt demnächst die deutsche Kriegsmarine vor der Küste Libanons und nicht etwa die Royal Navy der alten Nahost-Kolonialmacht England mit dem Georgskreuz im Wimpel. Die Deutschen sind unverdächtiger, wie Anfang der Woche erst Premierminister Tony Blair erfuhr, der anlässlich eines Besuchs in Beirut rüpelig empfangen worden war. Mehrere Minister hatten es abgelehnt, mit Blair zu erscheinen, und auf dem Märtyrerplatz nahe des Zentrums waren Hunderte von Demonstranten aufmarschiert - in Schach gehalten mit Stacheldrahtrollen und von Panzern der libanesischen Armee.
Bei Fans der Hisbollah wirkt aber auch noch eine spöttische Karikatur nach, die vor Jahren im Londoner "Spectator" erschienen war. Sie zeigt einen Milizionär vor qualmenden Ruinen mit seiner Kalaschnikow. Auf dem weißen T-Shirt des Kämpfers steht in schwarzen Buchstaben das Wort Hisbollah. Neben ihm geht seine Frau, von der nur Glubschaugen im Schador sichtbar sind. Sie plackt sich mit zwei schweren Einkaufstüten ab - und auf dem pechschwarzen Gewand steht, nun aber in weiß, Herbollah.
Die Fregatten, Schnellboote und Begleitschiffe der Deutschen Marine werden mit solch karikierten Machtverhältnissen natürlich nichts zu tun haben. Einen Ausflug zur Sonnenseite des Mittelmeers wird es aber auch nicht geben, denn vom politischen Treibsand jenseits der Küste drohen der "historischen" Mission, die Kanzlerin Angela Merkel beschwört, konkrete Gefahren.
"Die Dichte des Schiffsverkehrs, angefangen mit Hunderten von Fischerbooten", sei schon ein Problem, meint etwa Vizeadmiral Wolfgang Nolting, der Marineinspekteur. Und gut möglich ist auch, dass sich Schmuggler mit automatischen Waffen unter den Fischern durch die Dünung bewegen. Auch gegen Rennboote mit Kamikaze-Auftrag müssen sich die Deutschen wappnen - ähnliches hat die israelische Marine schon erlebt.
Auch Druckminen und akustische Minen könnten drohen oder gar ein Schlauchboot-Angriff der al-Qaida, deren Vize Aiman al-Sawahiri gerade verkündet hat, nun auch den Libanon ins terroristische Visier nehmen zu wollen.
Ein Wiederaufflammen der Kämpfe zwischen der Hisbollah und den Israelis ist irgendwann nicht auszuschließen - und ebensowenig ein Flächenbrand im Nahen Osten, falls es doch noch zu dem oft angekündigten Militärschlag gegen Iran und dessen Atomanlagen kommen sollte.
Beschuss trotz elektronischer Abwehrhilfen
Leidvolle Erfahrungen mit dem langen Arm Irans und womöglich dessen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad machte die israelische Marine am 14. Juli, als kurz nach Beginn des jüngsten Libanon-Konflikts ein Marschflugkörper der Hisbollah gegen die Korvette "Hanit" anflog. Zusammen mit den Schwesterschiffen "Eilat" und "Lahav" zählte die "Hanit" zu den größten Überwassereinheiten der israelischen Marine. Das hochmoderne Kriegsschiff hatte 1994 den Dienst aufgenommen und war mit Hightech vom Feinsten ausgestattet - mit Spürgeräten, die Raketenbeschuss signalisieren und abwenden sollten, Sensoren aller Art, Schnellfeuerkanonen, elektronischen Abwehrhilfen sowie raffinierten Täuschkörpern.
Trotz dieses sichtbaren und unsichtbaren Vorhangs wurde die Korvette getroffen. Das Schiff brannte mehrere Stunden lang und war zeitweise manövrierunfähig. Vier Matrosen verloren das Leben. Ausgerechnet die Israelis, international als Meister der elektronischen Kriegführung anerkannt, hatten nicht mit dem Angriff durch einen solchen Marschflugkörper gerechnet. Zunächst nahmen sie an, von einer Kampfdrohne der Hisbollah attackiert worden zu sein - ferngesteuerte Flugkörper, über die voriges Jahr sogar Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah im Hisbollah-Fernsehen referierte.
Tatsächlich aber war die "Hanit" von einem Marschflugkörper des chinesisch-iranischen Typs C-802 getroffen worden. Unter dem Namen "Noor" (deutsch: "Licht") bildet die modernste Version der C-802 das Rückgrat der iranischen Revolutionswächter-Marine, die einen ganzen Schirm solcher Geschosse am Persischen Golf bereithält.
Israelische Armee überrascht
Die C-802 besitzt eine Reichweite von 120 Kilometern und ist speziell auf die Bedürfnisse der iranischen Guerilla-Marine zugeschnitten, die mit ihr das Tanker-Nadelöhr der berühmten Straße von Hormus bestreichen kann. Sie ist aus der chinesischen Import-Rakete C-801 entwickelt worden, besitzt aber anders als diese ein kleines Strahltriebwerk statt eines Raketenmotors.
Und vielfältig verwendbar sind die Meeres-Marschflugkörper auch. Sie können von Lastwagen aus starten, von Flugzeugen und von Schiffen. Und sie können "über den Horizont" hinweg abgefeuert werden, ehe sie von einem bestimmten Punkt an selbsttätig das Ziel erfassen, wie der englische Rüstungsanalytiker Michael Knigths herausgefunden hat.
"Wir wussten gar nicht, dass die Hisbollah eine solche Waffe hat," musste nach dem "Hanit"-Debakel der Stabschef der israelischen Marine, Konteradmiral Noam Faig, einräumen, der während des Libanon-Konflikts die Seeoperationen leitete.
Vor diesem Hintergrund wirkt eine Analyse umso erstaunlicher, die das amerikanische Fachmagazin "Aviation Week" vor kurzem ausgebreitet hat. Danach hat die Hisbollah nicht nur einen, sondern zwei Marschflugkörper auf die israelische Korvette abgefeuert. Doch nur eine der C-802 erreichte das Ziel. Die andere flog an ihr vorbei und traf einen Frachter aus Ägypten, der daraufhin sank. Die Crew konnte zum Glück gerettet werden.
Unterstützung durch iranische Revolutionswächter?
Merkwürdig nur: Die "Hanit" wies gleichwohl zwei Einschlagslöcher knapp oberhalb der Wasserlinie auf, eines davon mittschiffs und eines hinten am Helikopterdeck. Offenbar, so meinen laut "Aviation Week" Experten, sei zunächst nur eine C-802 gestartet worden, um die Israelis mit einer Eigenschaft des Marschflugkörpers zu verwirren: Er steigt zunächst - wie die amerikanischen Cruise Missiles - steil auf, um dann den Tiefflug nur wenige Meter über dem Meer einzuleiten.
Als der Flugkörper bei seinem Aufstieg vom Radar der "Hanit" erfasst wurde und die Israelis sich auf den Marschflugkörper konzentrierten, hätten die Hisbollah-Kanoniere zwei Kurzstreckenraketen abgefeuert und mit ihnen die Korvette überrumpelt.
Ob bei dem Angriff auf die "Hanit" iranische Revolutionswächter die Hand am Drücker hatten, ist nicht bekannt. Die israelischen Streitkräfte gehen davon aus, dass an die 100 iranische Berater im Libanon gewesen seien. Andere Experten aber schließen auch nicht aus, dass die Marschflugkörper durch Zwischenhändler auf dem Basar des Waffenmarkts an die Hisbollah geliefert wurden.
Luftkampf mit Drohnen
Doch kaum ist eine Gefahr für die Schiffe der Uno-Mission im östlichen Mittelmeer erkannt, dräut schon die nächste. "Aviation Week" berichtet nämlich auch von einem Luftkampf, der sich mit einer Kampfdrohne ereignete - und der von einem israelischen F-16-Jäger per Rakete entschieden wurde.
Die propellergetriebene Drohne gehörte zum iranischen Typ "Ababil" (deutsch: "Schwalbe"), trug aber die Insignien der Hisbollah am Leitwerk. Zwei der Schwalben, die knapp 300 Stundenkilometer schnell sind und auch in den Tiefflug-Modus übergehen können, waren noch am letzten Tag des Libanon-Konflikts gestartet worden, wurden aber ihrerseits von Kampfjets abgeschossen. Eine Drohne, die im Norden Israels aufschlug, war mit einem 30 Kilo schweren Sprengkopf ausgestattet.
Auch die Hisbollah-Kampfdrohnen sind vielfältig einsetzbar. Sie können zum Start von der Rampe eines Lastwagens pneumatisch in die Luft geschleudert werden. Und sie können - Deutsche Marine aufgepasst - auch von einem Schiff aus starten, dann aber mit einem kleinen Raketenantrieb als Starthilfe.