Sooo...zunächst einmal vielen Dank für all die vielen Glückwünsche!
Wie versprochen folgt nun ein Geburtsbericht
Ein Fazit vorab: Es ist eine Menge verkehrt gelaufen, aber es gab (ihr habt es bestimmt erraten) ein Happy End, das alles wett machte.
Manchmal sieht man das vollständige Bild erst mit etwas Abstand. Oder vielleicht fehlt auch ein entscheidendes Puzzleteil. Ein solches erhielt ich heute bei der U2.
Ja, die war tatsächlich erst heute, denn ich bin nach 24h aus dem Krankenhaus geflohen, weil weder mein Sohn noch ich dort zur Ruhe kamen.
Bei der heutigen U2 sagte jedenfalls unser Kinderarzt (der übrigens eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Nikolaus aufweist), dass es bei meinem Sohn deutliche Anzeichen von Übertragung geben würde.
Die Hebamme bestätigte mir das.
Nun, warum ist das so wichtig?
Ich habe schon vor langer Zeit gesagt, dass ich etwa 10-14 Tage weiter bin als angenommen. Das hat aber niemanden interessiert. Und im Grunde ist es auch nicht relevant...außer...ja...außer es passiert das, was bei mir passiert ist.
Der wichtigste Unterschied besteht darin, ob eine Schwangere im Krankenhaus aufkreuzt, die 5 Tage VOR oder 3-4 Tage ÜBER dem ET ist. Nun, wenn diejenige Wehen hat, hat sie Wehen, wo ist also das Problem?
Das Problem war, dass meine Wehen nicht auf dem CTG angezeigt wurden.
Bei fast allen Wehen verlief es sogar genau umgekehrt: Von einem durchschnittlichen Pegel um 20 sank die Anzeige während der Wehe jeweils auf 0.
Man stelle sich also vor, da ist eine Frau, die allein in einem kleinen Kreissaal liegt und über "Wehen" klagt, die kein Mensch außer ihr erkennt. Niemand hat irgendwas davon gemerkt, wie es mir wirklich ging, denn laut Geräteüberwachung ging es sowohl mir als auch dem Kind die ganze Zeit unauffällig bis blendend.
Hätten die gewusst, dass ich eigentlich nicht zu früh, sondern überfällig bin, hätten sie mich von Anfang an ernster genommen, mir auch früher die entsprechenden Mittel gegeben und nicht erst, nachdem ich dort ~8 Stunden in "eingebildeten" Wehen mit 4 Minuten Abstand verbracht hatte, ohne dass sich der Muttermund weiter geöffnet hätte als er morgens bei der Ankunfts-Untersuchung geöffnet war (nämlich 1 cm).
Ich habe so ziemlich jedes Zeitgefühl verloren gehabt. Mein Mann war nach Hause gefahren, weil alles im Krankenhaus danach ausgesehen hatte, als wäre es falscher Alarm, aber ich blieb halt "zur Beobachtung".
Nachdem er den ganzen Tag nichts mehr von mir gehört hatte, packte ihn gegen Abend ein mulmiges Gefühl und er fuhr wieder in die Klinik. Dort hatte ich gerade den
Blasensprung hinter mir - es folgten Wehen in so kurzen Abständen, dass ich sie nicht mehr veratmen konnte. Und natürlich zeigte das CTG weiter absolut nichts.
Ich fing an zu hyperventilieren, und es kam erst Hilfe, nachdem ich aufgestanden war und mir die Kabel vom Leib gerissen hatte, weil ich irgendwo nach einer Plastiktüte suchen wollte, in die ich hinein atmen könnte.
Entweder denen wurde erst jetzt klar, wie sehr ich schon im Eimer war, oder ich war ihnen lästig mit meinem Getue; jedenfalls boten sie mir eine Spritze an, die mir "etwas Ruhe" verschaffen sollte. Mir war alles Recht, ich ließ mir spritzen, was immer es war und versank in ein weitgehend schmerzfreies Traumland. Zwar nahm ich noch wahr, dass mein Körper Wehen hatte, aber das interessierte mich nicht mehr. Ich verbrachte längere Zeit in diesem Dämmerzustand - aber der hatte den entscheidenden Vorteil, dass innerhalb dieser 2 Stunden der Muttermund auf 5-6 Zentimeter aufging.
Zum ersten Mal seit dem Morgen sagte mir jemand, dass ich mein Kind tatsächlich in absehbarer Zeit auf die Welt bringen würde.
Ich wollte gerne noch so eine Spritze. Einerseits war es damit wirklich sehr angenehm gewesen, aber vor allem spekulierte ich darauf, dass sich mit Hilfe dieses Mittels erneut was am Muttermund tun würde, so dass ich vielleicht in weiteren 2 Stunden zum Endspurt käme.
Doch dieses Mittel (wie gesagt, ich weiß nicht, was es war), durfte zum Wohl des Kindes frühestens nach 6 Stunden wieder verabreicht werden, und davon waren erst 2 vergangen. Stattdessen bot man mir aber eine PDA an. Das war gegen Mitternacht.
Ich hatte immer auf dem Standpunkt gestanden, dass ich es versuchen will, ohne PDA auszukommen, aber dass ich sie nicht kategorisch ablehne. Als man sie mir anbot, zögerte ich keine Sekunde.
Rechnet man die rhythmischen Wehen vor dem Krankenhaus mit, dann hatte ich jetzt bereits etwa 30 Stunden hinter mir. Davon 15 im Krankenhaus, die ganze Zeit mit nie mehr als 5 Minuten Abstand.
Ja, ich wollte eine PDA, bitte jetzt sofort, danke.
Mir wurde also die PDA gesetzt, und wieder verbrachte ich Stunden in einem Dämmerzustand. Mein Mann schlief auf einer Matratze im Kreisssaal. Gelegentlich kam jemand und sah mal nach mir. Auf vaginale Untersuchungen wurde weitgehend verzichtet, weil dabei erhöhte Infektionsgefahr bestand wegen der geplatzten Fruchtblase. Blieb also nur das CTG, und das zeigte weiterhin nichts an.
Irgendwann behauptete jemand, ich hätte zu selten Wehen. Man müsse mir jetzt etwas spritzen, damit die wieder stärker würden. Ich stimmte dem zu, und hinterher wunderte ich mich: Wenn man nicht eine Wehe auf dem CTG sah, woher wollten die das eigentlich gewusst haben?
Mittlerweile will ich darauf lieber keine Antwort mehr haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie mir nicht gefallen würde.
Draußen wurde es hell, mein Mann holte sich Frühstück. Ich weiß nicht ob das neuerlich injizierte Mittel half, denn ich fühlte die Wehen ja nicht mehr, und auf dem CTG war natürlich immer noch nichts zu sehen. Aber alsbald hatte ich einen schlimmen Schmerz im Schritt. Ich hielt es erst für Wehen, aber eine echt saudumme Kuh von Hebamme (die einzige dumme Kuh weit und breit, die anderen geschätzten 3483, die in den vergangenen 24 Stunden in "meinem" Kreissaal aufgetaucht waren, waren alle nett gewesen) erklärte mir, es seien Druckschmerzen, weil der Kopf des Kindes tiefer rutsche. Die könne mir keiner nehmen, die müsse ich aushalten.
Mag ja sein, aber ich fand, dass sie leichter auszuhalten sein müssten, wenn meine Beine irgendwie gespreizt wären. So lag doch das eine taube Bein tonnenschwer auf dem anderen tauben Bein und quetschte mir doch im Schritt alles ab, wo das Köpfchen hin rutschen sollte, oder?
Aber auf meinen Wunsch, mir bitte irgendwas zwischen die Beine zu klemmen, um sie gespreizt zu halten, bekam ich bloß die Antwort, da läge schon ein Kissen und es würde sowieso noch dauern, da könne man nichts machen, sondern einfach warten, und dass es weh tut, das wäre nunmal so, weil ich würde ja ein Kind bekommen und ich hätte mir doch sicher nicht vorgestellt, dass das völlig ohne Schmerzen ablaufen würde, und die Schmerzen wären doch sowieso minimal dank der PDA. Hätte ich gekonnt, ich hätte diese Hebamme erwürgt.
Stattdessen ließ ich meine Wut an meinem Mann aus, denn der saß derweil neben mir und mümmelte seelenruhig sein Frühstück, während ich litt wie ein Tier.
Er pampte zurück, und da wurde mir klar, dass nicht mal er meine Leiden wirklich ernst nahm.
Mir würde niemand helfen, es würde niemand auf mich hören.
Ich musste mir irgendwie selbst helfen. Ich musste meine Beine auseinander bringen - trotz der Lähmung. Ich versuchte es mit manuellem Schieben.
Dabei fiel das eingeklemmte Kissen runter.
Die Hebamme schlug die Decke zurück, wodurch diese auf dem Schlauch von meinem Zugang landete, so dass dieser mir beinahe heraus riss. Es tat monströs weh. Ich wimmerte, dass sie die Decke wegmachen soll und sie meinte, sie könnte nicht überall gleichzeitig sein, ich hätte ja das Kissen nicht runterschmeißen brauchen. Aber es sollte nicht umsonst gewesen sein: Durch mein Gezappel war es mir tatsächlich gelungen, mich so zu positionieren, dass zwischen meinen Beinen mehr Platz war. Ich spürte den Kopf meines Kindes...wenn der noch tiefer rutscht, dann ist er draußen, dachte ich. Ich begann zu pressen. Sie merkte es, und sagte: Sie brauchen nicht pressen, es dauert noch. Das war mir dann zu viel und ich schnauzte: "Können Sie nicht auch mal irgendwas Motivierendes sagen?"
Sie gab keine Antwort. Stattdessen fühlte sie noch einmal nach. Dann wies sie meinen Mann an, mein Bein hochzuhalten (ach, auf einmal ist das sinnvoll?), und sagte mir, ich solle pressen. Zwischen ihrer letzten Bemerkung, dass es noch eine ganze Weile dauern würde und dem "Herausflutschen" meines Sohnes lagen 2 Minuten und 4 Presswehen. Es war 9:45.
Mein Fruchtwasser war grün gewesen, deshalb wurde mein Sohn erst gründlich abgesaugt, ehe er seinen ersten Schrei machen durfte. Er wurde mir auf den Bauch gelegt, und wir beide waren von oben bis unten besudelt. Auf dem Foto sieht man es überhaupt nicht, aber so ziemlich alles an uns beiden, sowie das Bett, sahen nicht so aus, als hätte ich ein Kind geboren, sondern vielmehr, als hätte ich eins geschlachtet.
Natürlich war es so, wie alle sagen: Von einer auf die andere Sekunde war alles vergeben und vergessen. Da war der kleine Gnom, voll geschmiert mit
Kindspech und Blut, aber das war alles vollkommen bedeutungslos. Der Schmerz war wie per Knopfdruck abgeschaltet.
Mein Mann schnitt die Nabelschnur durch...wir schauten uns an, schauten das Kind an und ich wünschte, dieser Moment würde ewig dauern.
Da der Bericht schon ziemlich lang geworden ist, erzähle ich euch jetzt einfach nicht, wie es hinterher weiter ging und warum wir nach 24h abgehauen sind. Nur so viel: Die Entscheidung war gut und richtig, denn mein armes Kind war nach dem KKH-Aufenthalt völlig durch den Wind und wir haben 2 Tage gebraucht, bis nicht nur ich mich, sondern vor allem er sich entspannen konnte. Jetzt ist er eine Woche alt, und der Stress scheint für ihn fast vergessen.
Ich hingegen werde wohl noch eine Weile an allem zu knabbern haben, was während der Schwangerschaft und auch während der Geburt geschehen ist.
Aber eins weiß ich: Nichts davon wird mich abhalten können, ein zweites Kind zu bekommen.