Hallo,
leider sind meine Fragen bisher unbeantwortet geblieben, weshalb ich jetzt einfach mal so weiter schreibe.
Der Erfolg einer Therapie von Zwangsstörungen misst sich nicht daran, wie oft der Betroffene an den Nägeln kaut (die wohl häufigste Zwanghandlung) oder sich die Pickel ausdrückt (auch nicht selten) oder sich wäscht (kommt in der Ära Ehec bei Kindern und Jugendlichen immer öfter vor, auch wenn es eine nach wie vor eher seltene Form der Zwangshandlung bei Kindern und Jugendlichen ist) . Und schon gar nicht misst sie sich im Verbrauch von Toilettenpapier, von dem ich mich übrigens schon seit längerem frage, was das Mädchen damit tut, denn beim Duschen und Waschen findet Toilettenpapier nur selten Anwendung). Allen vorgenannten Zwangshandlungen ist gemein, dass sie wie in eine Sucht sind, und dass die Betroffenen durchaus dazu in der Lage sind, zeitweilig den Impuls zurück zu halten - aber sie können ihn nicht stoppen, wenn nicht sofort in der Anfangszeit eine anständige Therapie beginnt. Denn wie eine Drogensucht ist auch der Zwang, bestimmte Handlungen vorzunehmen, ein Symptom für ein tiefer liegendes Problem, zu dem sich durch den Zwang durchaus auch andere Probleme, Körperliche und Psychische, gesellen können, die durch die Lebenseinschränkungen, die der Zwang verursacht, entstehen. Stoppt oder verringert man die Zwangshandlungen für einen gewissen Zeitraum, geht das tiefer liegende Problem nicht weg, und weil dieses Problem weiter besteht, verringert sich der Drang nach Zwang nicht dauerhaft.
Natürlich muss man nicht immer sofort in Panik geraten: Aber wenn das Problem so gigantisch wird, dass der Betroffene und sein Umfeld nicht mehr auch nur annähernd normal leben können, dann ist sie angebracht. Das ist schon mehrmals in diesem Thread gesagt worden.
Und eigentlich hätte es sternenschweif auch in der Welt außerhalb des Netzes gesagt bekommen haben müssen. Das ist nicht geschehen. Stattdessen: Der Rat eines "leitenden Psychologen" in einem SPZ, doch einfach die Zeiten im Bad und das Duschmaterial zu reduzieren. Dieser Rat erinnert mich an die guten Ratschläge wohlmeinender älterer Nachbarinnen, dem nägelkauenden Sohn doch einfach mal zu verbieten, an den Nägeln zu kauen. Dass diese Ratschläge nichts bringen, darüber sind Bücher geschrieben worden. Dass dieser "leitende Psychologe" dann auch noch Gespräche von über zwei Stunden Dauer mit einem Kind im Beisein der Mutter veranstaltet, ist eine Vorgehensweise, die man in einem SPZ nicht unbedingt vermuten würde. Eigentlich würde ein SPZ schon bei der Terminvereinbarung am Telefon sagen, dass es nicht wirklich zuständig ist, falls der Kinderarzt, der ja die Überweisung schreiben muss, dass noch nicht getan hat.
Eigentlich hätte der Kinderarzt, der im Studium wenigstens ein bisschen von der menschlichen Psyche erzählt bekommen hat, genauso reagieren müssen, wie Hextina und ich, nachdem er diese Geschichte erzählt bekommen hat, und das noch viel mehr so, weil sternenschweif zumindest hier eine problematische Wahrnehmung erklärt hat: Sie schrieb in einem Anfangsposting, ihre Tochter gehe maximal zweimal am Tag ins Bad, und bleibe dann dort vier bis fünf Stunden, bevor sie dann erklärte, ihre Tochter sei aber noch fähig, in die Schule zu gehen. Vier bis fünf Stunden allein sind schon viel, selbst für einen ernsten Waschzwang. Zweimal vier bis fünf Stunden, also zwischen acht und zehn Stunden (wobei ich nicht ausschließen kann, dass die Zeitangabe beide Besuche umfasst, was aber immer noch sehr ernst wäre) sind extremst ernst. Und dann: Das Problem ist nicht an einem Tag entstanden - es ist über Monate, möglicherweise Jahre sogar, größer geworden. Sternenschweif schrieb selbst, dass sich das Problem seit der Pubertät verstärkt habe - also schon vorher da war. Ein Kinderarzt, der einen solchen Patienten nicht an die Psychiatrie verweist, würde sich strafbar machen - die Wartezeiten sind dabei kein Argument: Auch auf das SPZ muss man warten. Jetzt müsste man doppelt warten.