HollyGoleitly
Neues Mitglied
Mein Kind schreit und schreit.
Ich bin am Ende. Mit allem. Mit mir, meinen Nerven, meinem Latein. Meine Tochter schreit und schreit. Nichts hat geholfen. Absolut nichts. Und ich kann die Tipps und Ratschläge nicht mehr hören. Es hilft einfach absolut gar nichts.
Ich habe wirklich schon alles, wirklich alles, ausprobiert. Ihr glaubt es nicht und habt spontan gleich noch einen Tipp? Dann lasst mich erst mal aufzählen, was ich schon alles gemacht habe:
Ich habe die Nerven behalten und die Ruhe in Person ausgestrahlt. Gesummt und gesungen. Geflüstert und getröstet. Ich bin nur weiter angeschrien worden. Ich habe SabSimplex, Lefax, Carum Carvi, Carminativum Hetterich, Virbucul, Kirschkernkissen, Flieger, Bauch massieren, senkrecht nach den Mahlzeiten tragen, Chamomilla, Aconitum, Medorinhum, Magnesium Phosporicum, Dios Corea, Podophyllum, Thuja, Kümmelzäpchen, Windsalbe und Fönen hinter mir. Nichts, nichts, nichts hat geholfen.
Ja, ich habe auch schon Hand aufgelegt, habe drei Sitzungen beim Osteopathen hinter mir, Sakraltherapie, Heilpraktiker und falls Euch jetzt noch Laktoseunverträglichkeit in den Sinn kommt, kann ich Euch sagen, dass ich wie eine Kuh 5 Tage lang meine Milch abgepumpt habe und nur Humana SL laktosefreie Kost gefüttert habe. Ohne jeglichen Erfolg! Alles hat vielleicht mal den kurzen Anschein einer Lösung gehabt - aber immer war eher der Wunsch Vater des Gedanken. Es hilft alles nix. Rein gar nix. Ich bin mit meinen Nerven runter und ... denke an Babyklappe. Natürlich um dann nur wieder in Tränen auszubrechen, weil ich mich als erbärmliche Mutter fühle.
Ach ja, jetzt kommt sicher der Tipp mit der Schreiambulanz. Nein, auch die kann mir nicht helfen. 14 Tage lang Schreitagebuch geführt, hingerannt, und das Prachtexemplar vorgeführt. Großes, ungläubiges Staunen. Ja, wir gehen trotzdem weiter hin. Aber außer gut zureden, können die mir auch nicht. Selbst die Hebamme sagte mir, so etwas hätte sie in ihrer 40jährigen Berufserfahrung noch nie erlebt. Und sie würde mir gerne mal die Mütter vorbei schicken, die glauben, ihr Kind würde schreien. Die wären nach einem Tag bei uns geheilt. Super. Toller Trost.
Meine Freunde bieten ihre Hilfe an. Zumindest pro forma. In Wahrheit kann keiner helfen und außer bei: "Du kannst ruhig mal anrufen, wenn Du Hilfe brauchst" passiert auch nicht viel mehr. Ich sitze im Garten eines Freundes, alle sitzen beisammen und grillen - und ich ... beim stillen ... hinten in der Ecke, am Ende des Gartens, in der Hängematte. Hänge ich die Brust nicht in ihr kleines Kehlchen, schreit und schreit sie. Nonstop.
Nein, Schnuller spuckt sie aus, mag sie nicht. Es ist ihr auch egal, ob in der Brust noch was drin ist. Natürlich nicht. Die 700 Milliliter, die ich täglich produziere genügen ihr auch nicht. Sie bekommt also noch extra was zugefüttert. Komme mir schon vor wie eine Kuh. Nein, wie eine angekettete Kuh. Ich kann nicht mal mehr aufs Klo gehen, ohne in Kauf zu nehmen, dass sie schreit wie am Spieß. Auch nicht, wenn sie schläft. Sie schläft nämlich nicht. Auch das hat die Hebamme noch nie gesehen. Sagt sie. Nach dem Trinken ist sie erschöpft, hat rote Augen, kann sich nicht mehr halten. In mir steigt die Hoffnung auf ein bißchen Schlaf. Pustekuchen. Sie hält es wie Einstein: mit einem fünf Minuten-Schlaf. Ich brauche gar nicht daran zu denken, aufzustehen. Merkt sie sowieso. Und brüllt sofort los.
Ja, natürlich hat sie ein Geburtstrauma. Was auch sonst. Die Arme wurde innerhalb von 12 Minuten in die Welt gerissen, 9 Wochen zu früh, quasi mit einer Notschlachtung ihrer Mutter. Deshalb auch die Sakraltherapie. Ja, wir sind dem Belzebub gerade beide nochmal von der Schippe gehopst. Und nun? Wären wir beide besser nicht gehopst? Ist das ein Leben? Was kann meine Kleine denn an diesem Leben schön finden? Wie soll sie je Vertrauen in das Schöne bekommen? Den Spaß am Leben? Wenn sie immer nur von Koliken gequält wird? Ich kann ihr nichts Schönes geben. Jetzt ist sie über 4 Monate und schreit und schreit noch immer. Manchmal lacht sie bei meinem Mann. An einer Hand kann man das jetzt abzählen. Ich freue mich für sie, dass ihr mal endlich was Schönes passiert. Einmal kam ich auch in dieses Vergnügen. Und ich hatte Hoffnung. Bis sie mich wieder anbrüllte und anbrüllte.
Die Blähungen, die sie hat, sind nicht mehr normal. Jeder, der das mal mitbekommen hat, darunter auch sehr viele Mütter, sind doch wirklich erstaunt oder viel mehr geschockt. Das hat noch keine von ihnen jemals erlebt. Toll. Das tröstet ungemein. Und dann kommen noch ganz tolle Tipps, wie "Vielleicht solltest du sie mal wagerecht legen, damit die Luft in ihr nicht nach oben steigen, sondern unten raus kriechen kann." oder "Vielleicht solltest du sie mal senkrecht schuckeln, damit die Luft oben raus kommt. Ist sicher nur ein Bäuerchen." oder "Hast Du mal Sab ausprobiert?". Nee, hab' ich natürlich nicht! Blöde Frage! Mein Kind schreit seit Monaten - als ob ich nicht schon mal im Internet nachgeschaut, die Hebamme oder den Arzt gefragt hätte und die diesen Tipp bestimmt noch nie gehört haben. Die Notambulanz, die wir des nächtens nach 3 Stunden Schreien am Spieß aufsuchten, meinte nach ein bißchen Herumdrücken auf dem Bauch auch nur: "Ja, das sind ganz schlimme Blähungen. Da kann man nix machen." Mein flehendes "irgendwas muss man doch tun können, kann man bei Erwachsenen doch auch" erntete ein "Soo? Was denn? Ich wüßte nichts."
Ich habe auch schon 4 Tage lang konsequent nur gekochte Kartoffeln gegessen. Ohne irgendwas dazu. Nur, um zu sehen, ob es an meiner Ernährung liegt. Nein, tut es nicht. Mit Genugtuung kann ich das meine Schwiegermutter berichten, wegen der mir auf einem Familienfest eine einzige Erdbeere, die ich mir gönnen wollte, fast im Halse stecken blieb, als sie diesen Versuch kommentierte mit: "Na, Erdbeere? Da wird dein Kind ja wieder schöne Blähungen bekommen." Ich könnte sie alle erwürgen. Die ganzen Besserwisser und doofen Ratschlaggeber. Nein, ich nehme keine Ratschläge mehr entgegen. Ich mache es natürlich doch. Aber nichts hilft. Absolut nichts.
Sie hasst ihren Kinderwagen. Zum Einkaufen schleppe ich sie im Tragetuch. Sie wehrt sich um dann endlich entspannt und erschöpft einzuschlafen. Ich traue mich nicht mehr, mich zu bewegen. An Schlaf nicht zu denken. Wenigstens sie kann mal zwei Stunden schlafen. Um Kraft zu tanken für das nächtliche und tagtägliche Gebrüll.
Ich gehe schon nicht mehr unter die Leute. Hat ja sowieso kein Sinn. Komme ich nur in Stress. Also dümple ich zuhause vor mich hin. Versuche ihr einen ruhigen Tagesablauf zu bereiten, mit Rhythmus und Vertrautem. Ja, ich bewahre immer noch die Ruhe. Um dann, sobald er nach Hause kommt, meinem Mann das Leben mit meinen Heulanfällen, Wutattacken und Frustrationen die Hölle auf Erden zu bereiten. Kein Wunder, dass wir an Scheidung denken. Ich werfe ihm vor, er kann nicht verstehen, wie ich mich fühle und dass ich einfach nicht mehr kann. Und er kann es am Ende tatsächlich nicht wirklich verstehen, auch wenn er wollte, und hat eine nörgelnde, unzufriedene Frau zuhause am Start – zuhause, wo er gar nicht mehr gerne hinkommt. Außer natürlich um sein Kind in die Arme zu schließen. Ein Anruf von meiner Frau, oh Gott, was ist denn jetzt schon wieder?! Ja, Alarm ist wieder. Komm’ bitte nach Hause, hilf mir. Ich könnte durchdrehen.
Ja, ich habe sie auch schon schreien lassen, bin ins Nachbarzimmer, habe ins Kissen gebissen, habe hysterisch meine Mutter angerufen, sie angebrüllt, sie würde sich nicht mal nach meinem Befinden kümmern und ja, sie könne mir was helfen: sofort kommen und mir das Kind mal für zwei Stunden abnehmen. Ich wolle mal aufs Klo, was essen und mal duschen. Sie tat es auch. Aber am Ende hilft das uns ja auch alles nicht wirklich. Es hilft einfach gar nichts. Nein, auch kein pucken. Und auch nicht ihr jeden Tag zu sagen, dass ich sie liebe, auch wenn sie weint, und dass sie hier richtig ist und dass sie willkommen ist und dass alles gut wird. Es hilft einfach nichts.
ERGÄNZUNGEN/Antworten:
Der Einfachheit, um alles beisammen zu haben, schreibe ich meine Ergänzungen/Antworten zur Euren (vielen herzlichen Dank, ich weiß es ja: lieb gemeinten) Tipps hier her.
1. Wochenende wegfahren/abspannen
Ja, ein Tag Auszeit - oder sowas ähnliches - hatte ich auch schon mal. Klar. Die Wahrheit ist, soviel Kraft kann man nicht tanken, dass es dann wieder langt.
2. Mann soll ran
Mein Mann hilft, soweit er kann. Er tut ihr sehr gut und sie ist bei ihm in sehr guten Händen. Aber die Brust hat er nun mal nicht und alles ist begrenzt. Zu wenig, um eine echte Entlastung leisten zu können. Einer muss ja auch noch mal zwischendurch arbeiten gehen.
4. Freundin helfen
Ja, bedingt. Eine Freundin rauschte direkt im Express an - damit ich mal baden konnte. Auch das hilft mal bedingt. Aber nicht wirklich dauerhaft.
5. Tagesmutti / Omi
Tagesmutti können wir uns absolut nicht leisten. Ich bin (war es vielmehr, denn ihr glaubt doch nicht, dass ich im Moment auch nur 5 Minuten arbeiten kann) selbständig. Und als Selbständige in Deutschland ist man mit Kind richtig bestraft!! Kein Mutterschutz und kein Geld! Und selbst wenn man krankgeschrieben ist, bekommt man monatelang kein Krankentagegeld - weil man ja eigentlich gesetzlich im Mutterschutz wäre. Völlig krank diese Situation!!!
Und tatsächlich ist unser Töchterchen so paralysiert, dass sie Mama und Papa einfach noch zu sehr braucht. Oma vielleicht? Die eine Oma ist krank, die andere (für mich) nicht tragbar, wohnt 100 Km weit weg und das ist eigentlich auch gut so.
6. Schlaf nachholen
Der geht mittlerweile. Seit ein paar Tagen auch mal 5 Stunden am Stück in der Nacht. Manchmal.
7. Impfung
Auch schon gedacht. Nein, keine Reaktion auf Impfung.
8. Neurologisch alles ok?
Ja.
9. Die Frage, ob wir einen Kaiserschnitt hatten?
Notschlachtung = Kaiserschnitt!
Warum? Weil Gefahr in Verzug war und die Plazenta auf den OP-Tisch blubbte.
10. Bestimmt das erste Kind, gelle?
Nein, es ist nicht das erste. Aber das Erste, das es bis zu diesem Alter überlebt hat: mehr als 4 Monate. Und bei Nachzügler-Schwester und Nichte genug Baby-Katastrophen erlebt um eigentlich gut und relativ entspannt vorbereitet gewesen zu sein. Hat damit also absolut gar nix zu tun - dass ich nicht genug gelassen wäre!
11. Nasenbluten, geplatze Äderchen
Nein, wir haben uns nur "einen Nabelbruch" zugezogen.
12. Flourid-Tabletten Unverträglichkeit?
Nein, wir haben 10 Tage damit ausgesetzt. Ohne Erfolg. Das gleiche Programm mit Eisen.
Ach ja, was noch nicht war:
Maxi-Cosi schaukeln. Nein, hilft nicht.
Autofahren. Nein, hilft nicht.
Hängematte. Nein, hilft nicht.
Baden. Nein, sie hasst es.
Fehlhaltung: Nein, scheint es auch nicht zu sein. U4 ok.
Das einzige, worauf ich wirklich baue: Sie kam 9 Wochen zu früh, ziehe ich diese Zeit von ihrem jetzigen Alter ab, habe ich rein statistisch in 3 Wochen eine gute Chance, dass sich von heute auf morgen plötzlich alles ändert. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Falls jemand noch einen wirklich neuen Tipp hat ... gerne. Aber meine Kolumne hier sollte vielmehr vielleicht anderen mal zeigen, wie gut es ihnen geht. Und wie schwer manche Kinder sein können. Und wer ein Schreikind hat, fühlt sich vielleicht hiermit gut verstanden. Auch wenn’s nicht hilft. Vielleicht tröstet es hin und wieder. Ich musste mir das einfach mal von der Seele schreiben.
Ich bin am Ende. Mit allem. Mit mir, meinen Nerven, meinem Latein. Meine Tochter schreit und schreit. Nichts hat geholfen. Absolut nichts. Und ich kann die Tipps und Ratschläge nicht mehr hören. Es hilft einfach absolut gar nichts.
Ich habe wirklich schon alles, wirklich alles, ausprobiert. Ihr glaubt es nicht und habt spontan gleich noch einen Tipp? Dann lasst mich erst mal aufzählen, was ich schon alles gemacht habe:
Ich habe die Nerven behalten und die Ruhe in Person ausgestrahlt. Gesummt und gesungen. Geflüstert und getröstet. Ich bin nur weiter angeschrien worden. Ich habe SabSimplex, Lefax, Carum Carvi, Carminativum Hetterich, Virbucul, Kirschkernkissen, Flieger, Bauch massieren, senkrecht nach den Mahlzeiten tragen, Chamomilla, Aconitum, Medorinhum, Magnesium Phosporicum, Dios Corea, Podophyllum, Thuja, Kümmelzäpchen, Windsalbe und Fönen hinter mir. Nichts, nichts, nichts hat geholfen.
Ja, ich habe auch schon Hand aufgelegt, habe drei Sitzungen beim Osteopathen hinter mir, Sakraltherapie, Heilpraktiker und falls Euch jetzt noch Laktoseunverträglichkeit in den Sinn kommt, kann ich Euch sagen, dass ich wie eine Kuh 5 Tage lang meine Milch abgepumpt habe und nur Humana SL laktosefreie Kost gefüttert habe. Ohne jeglichen Erfolg! Alles hat vielleicht mal den kurzen Anschein einer Lösung gehabt - aber immer war eher der Wunsch Vater des Gedanken. Es hilft alles nix. Rein gar nix. Ich bin mit meinen Nerven runter und ... denke an Babyklappe. Natürlich um dann nur wieder in Tränen auszubrechen, weil ich mich als erbärmliche Mutter fühle.
Ach ja, jetzt kommt sicher der Tipp mit der Schreiambulanz. Nein, auch die kann mir nicht helfen. 14 Tage lang Schreitagebuch geführt, hingerannt, und das Prachtexemplar vorgeführt. Großes, ungläubiges Staunen. Ja, wir gehen trotzdem weiter hin. Aber außer gut zureden, können die mir auch nicht. Selbst die Hebamme sagte mir, so etwas hätte sie in ihrer 40jährigen Berufserfahrung noch nie erlebt. Und sie würde mir gerne mal die Mütter vorbei schicken, die glauben, ihr Kind würde schreien. Die wären nach einem Tag bei uns geheilt. Super. Toller Trost.
Meine Freunde bieten ihre Hilfe an. Zumindest pro forma. In Wahrheit kann keiner helfen und außer bei: "Du kannst ruhig mal anrufen, wenn Du Hilfe brauchst" passiert auch nicht viel mehr. Ich sitze im Garten eines Freundes, alle sitzen beisammen und grillen - und ich ... beim stillen ... hinten in der Ecke, am Ende des Gartens, in der Hängematte. Hänge ich die Brust nicht in ihr kleines Kehlchen, schreit und schreit sie. Nonstop.
Nein, Schnuller spuckt sie aus, mag sie nicht. Es ist ihr auch egal, ob in der Brust noch was drin ist. Natürlich nicht. Die 700 Milliliter, die ich täglich produziere genügen ihr auch nicht. Sie bekommt also noch extra was zugefüttert. Komme mir schon vor wie eine Kuh. Nein, wie eine angekettete Kuh. Ich kann nicht mal mehr aufs Klo gehen, ohne in Kauf zu nehmen, dass sie schreit wie am Spieß. Auch nicht, wenn sie schläft. Sie schläft nämlich nicht. Auch das hat die Hebamme noch nie gesehen. Sagt sie. Nach dem Trinken ist sie erschöpft, hat rote Augen, kann sich nicht mehr halten. In mir steigt die Hoffnung auf ein bißchen Schlaf. Pustekuchen. Sie hält es wie Einstein: mit einem fünf Minuten-Schlaf. Ich brauche gar nicht daran zu denken, aufzustehen. Merkt sie sowieso. Und brüllt sofort los.
Ja, natürlich hat sie ein Geburtstrauma. Was auch sonst. Die Arme wurde innerhalb von 12 Minuten in die Welt gerissen, 9 Wochen zu früh, quasi mit einer Notschlachtung ihrer Mutter. Deshalb auch die Sakraltherapie. Ja, wir sind dem Belzebub gerade beide nochmal von der Schippe gehopst. Und nun? Wären wir beide besser nicht gehopst? Ist das ein Leben? Was kann meine Kleine denn an diesem Leben schön finden? Wie soll sie je Vertrauen in das Schöne bekommen? Den Spaß am Leben? Wenn sie immer nur von Koliken gequält wird? Ich kann ihr nichts Schönes geben. Jetzt ist sie über 4 Monate und schreit und schreit noch immer. Manchmal lacht sie bei meinem Mann. An einer Hand kann man das jetzt abzählen. Ich freue mich für sie, dass ihr mal endlich was Schönes passiert. Einmal kam ich auch in dieses Vergnügen. Und ich hatte Hoffnung. Bis sie mich wieder anbrüllte und anbrüllte.
Die Blähungen, die sie hat, sind nicht mehr normal. Jeder, der das mal mitbekommen hat, darunter auch sehr viele Mütter, sind doch wirklich erstaunt oder viel mehr geschockt. Das hat noch keine von ihnen jemals erlebt. Toll. Das tröstet ungemein. Und dann kommen noch ganz tolle Tipps, wie "Vielleicht solltest du sie mal wagerecht legen, damit die Luft in ihr nicht nach oben steigen, sondern unten raus kriechen kann." oder "Vielleicht solltest du sie mal senkrecht schuckeln, damit die Luft oben raus kommt. Ist sicher nur ein Bäuerchen." oder "Hast Du mal Sab ausprobiert?". Nee, hab' ich natürlich nicht! Blöde Frage! Mein Kind schreit seit Monaten - als ob ich nicht schon mal im Internet nachgeschaut, die Hebamme oder den Arzt gefragt hätte und die diesen Tipp bestimmt noch nie gehört haben. Die Notambulanz, die wir des nächtens nach 3 Stunden Schreien am Spieß aufsuchten, meinte nach ein bißchen Herumdrücken auf dem Bauch auch nur: "Ja, das sind ganz schlimme Blähungen. Da kann man nix machen." Mein flehendes "irgendwas muss man doch tun können, kann man bei Erwachsenen doch auch" erntete ein "Soo? Was denn? Ich wüßte nichts."
Ich habe auch schon 4 Tage lang konsequent nur gekochte Kartoffeln gegessen. Ohne irgendwas dazu. Nur, um zu sehen, ob es an meiner Ernährung liegt. Nein, tut es nicht. Mit Genugtuung kann ich das meine Schwiegermutter berichten, wegen der mir auf einem Familienfest eine einzige Erdbeere, die ich mir gönnen wollte, fast im Halse stecken blieb, als sie diesen Versuch kommentierte mit: "Na, Erdbeere? Da wird dein Kind ja wieder schöne Blähungen bekommen." Ich könnte sie alle erwürgen. Die ganzen Besserwisser und doofen Ratschlaggeber. Nein, ich nehme keine Ratschläge mehr entgegen. Ich mache es natürlich doch. Aber nichts hilft. Absolut nichts.
Sie hasst ihren Kinderwagen. Zum Einkaufen schleppe ich sie im Tragetuch. Sie wehrt sich um dann endlich entspannt und erschöpft einzuschlafen. Ich traue mich nicht mehr, mich zu bewegen. An Schlaf nicht zu denken. Wenigstens sie kann mal zwei Stunden schlafen. Um Kraft zu tanken für das nächtliche und tagtägliche Gebrüll.
Ich gehe schon nicht mehr unter die Leute. Hat ja sowieso kein Sinn. Komme ich nur in Stress. Also dümple ich zuhause vor mich hin. Versuche ihr einen ruhigen Tagesablauf zu bereiten, mit Rhythmus und Vertrautem. Ja, ich bewahre immer noch die Ruhe. Um dann, sobald er nach Hause kommt, meinem Mann das Leben mit meinen Heulanfällen, Wutattacken und Frustrationen die Hölle auf Erden zu bereiten. Kein Wunder, dass wir an Scheidung denken. Ich werfe ihm vor, er kann nicht verstehen, wie ich mich fühle und dass ich einfach nicht mehr kann. Und er kann es am Ende tatsächlich nicht wirklich verstehen, auch wenn er wollte, und hat eine nörgelnde, unzufriedene Frau zuhause am Start – zuhause, wo er gar nicht mehr gerne hinkommt. Außer natürlich um sein Kind in die Arme zu schließen. Ein Anruf von meiner Frau, oh Gott, was ist denn jetzt schon wieder?! Ja, Alarm ist wieder. Komm’ bitte nach Hause, hilf mir. Ich könnte durchdrehen.
Ja, ich habe sie auch schon schreien lassen, bin ins Nachbarzimmer, habe ins Kissen gebissen, habe hysterisch meine Mutter angerufen, sie angebrüllt, sie würde sich nicht mal nach meinem Befinden kümmern und ja, sie könne mir was helfen: sofort kommen und mir das Kind mal für zwei Stunden abnehmen. Ich wolle mal aufs Klo, was essen und mal duschen. Sie tat es auch. Aber am Ende hilft das uns ja auch alles nicht wirklich. Es hilft einfach gar nichts. Nein, auch kein pucken. Und auch nicht ihr jeden Tag zu sagen, dass ich sie liebe, auch wenn sie weint, und dass sie hier richtig ist und dass sie willkommen ist und dass alles gut wird. Es hilft einfach nichts.
ERGÄNZUNGEN/Antworten:
Der Einfachheit, um alles beisammen zu haben, schreibe ich meine Ergänzungen/Antworten zur Euren (vielen herzlichen Dank, ich weiß es ja: lieb gemeinten) Tipps hier her.
1. Wochenende wegfahren/abspannen
Ja, ein Tag Auszeit - oder sowas ähnliches - hatte ich auch schon mal. Klar. Die Wahrheit ist, soviel Kraft kann man nicht tanken, dass es dann wieder langt.
2. Mann soll ran
Mein Mann hilft, soweit er kann. Er tut ihr sehr gut und sie ist bei ihm in sehr guten Händen. Aber die Brust hat er nun mal nicht und alles ist begrenzt. Zu wenig, um eine echte Entlastung leisten zu können. Einer muss ja auch noch mal zwischendurch arbeiten gehen.
4. Freundin helfen
Ja, bedingt. Eine Freundin rauschte direkt im Express an - damit ich mal baden konnte. Auch das hilft mal bedingt. Aber nicht wirklich dauerhaft.
5. Tagesmutti / Omi
Tagesmutti können wir uns absolut nicht leisten. Ich bin (war es vielmehr, denn ihr glaubt doch nicht, dass ich im Moment auch nur 5 Minuten arbeiten kann) selbständig. Und als Selbständige in Deutschland ist man mit Kind richtig bestraft!! Kein Mutterschutz und kein Geld! Und selbst wenn man krankgeschrieben ist, bekommt man monatelang kein Krankentagegeld - weil man ja eigentlich gesetzlich im Mutterschutz wäre. Völlig krank diese Situation!!!
Und tatsächlich ist unser Töchterchen so paralysiert, dass sie Mama und Papa einfach noch zu sehr braucht. Oma vielleicht? Die eine Oma ist krank, die andere (für mich) nicht tragbar, wohnt 100 Km weit weg und das ist eigentlich auch gut so.
6. Schlaf nachholen
Der geht mittlerweile. Seit ein paar Tagen auch mal 5 Stunden am Stück in der Nacht. Manchmal.
7. Impfung
Auch schon gedacht. Nein, keine Reaktion auf Impfung.
8. Neurologisch alles ok?
Ja.
9. Die Frage, ob wir einen Kaiserschnitt hatten?
Notschlachtung = Kaiserschnitt!
Warum? Weil Gefahr in Verzug war und die Plazenta auf den OP-Tisch blubbte.
10. Bestimmt das erste Kind, gelle?
Nein, es ist nicht das erste. Aber das Erste, das es bis zu diesem Alter überlebt hat: mehr als 4 Monate. Und bei Nachzügler-Schwester und Nichte genug Baby-Katastrophen erlebt um eigentlich gut und relativ entspannt vorbereitet gewesen zu sein. Hat damit also absolut gar nix zu tun - dass ich nicht genug gelassen wäre!
11. Nasenbluten, geplatze Äderchen
Nein, wir haben uns nur "einen Nabelbruch" zugezogen.
12. Flourid-Tabletten Unverträglichkeit?
Nein, wir haben 10 Tage damit ausgesetzt. Ohne Erfolg. Das gleiche Programm mit Eisen.
Ach ja, was noch nicht war:
Maxi-Cosi schaukeln. Nein, hilft nicht.
Autofahren. Nein, hilft nicht.
Hängematte. Nein, hilft nicht.
Baden. Nein, sie hasst es.
Fehlhaltung: Nein, scheint es auch nicht zu sein. U4 ok.
Das einzige, worauf ich wirklich baue: Sie kam 9 Wochen zu früh, ziehe ich diese Zeit von ihrem jetzigen Alter ab, habe ich rein statistisch in 3 Wochen eine gute Chance, dass sich von heute auf morgen plötzlich alles ändert. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Falls jemand noch einen wirklich neuen Tipp hat ... gerne. Aber meine Kolumne hier sollte vielmehr vielleicht anderen mal zeigen, wie gut es ihnen geht. Und wie schwer manche Kinder sein können. Und wer ein Schreikind hat, fühlt sich vielleicht hiermit gut verstanden. Auch wenn’s nicht hilft. Vielleicht tröstet es hin und wieder. Ich musste mir das einfach mal von der Seele schreiben.