Hallo Leute,
also zu unserem Hintergrund gibt es eigentlich nicht so viel Spektakuläres zu berichten. Wir kennen uns seit sechs Jahren, sind seit knapp drei Jahren verheiratet. Meine Frau hatte vor mir nur eine einzige sexuelle Beziehung gehabt, und das auch in einer recht langen Partnerschaft (fünf Jahre). Sie ist jetzt 28, ich bin 32 Jahre alt....
Was eine mögliche Störung angeht so kann ich nicht behaupten, meine Frau in diesen Katalogen wiederzufinden. Und wenn ich es recht bedenke und mir vorstelle, wie die ganze Angelegenheit mit ihrem Seitensprung gelaufen ist denke ich eher, dass da sehr vieles in ihr vielleicht noch nicht so "ausgegoren" war/ist, und sie möglicherweise einfach das Gefühl hatte etwas versäumt zu haben, zumal wir gerade aktiv in die Familienplanung eingestiegen sind und wir beide beruflich auch viel Stress hatten. Ich für meinen Teil habe mich vor unserer Beziehung ziemlich heftig ausgelebt in meinen zwanzigern und es war scheinbar deswegen nie ein Thema oder Problem für mich, ihr treu zu bleiben. Ich habe in diesem Thread auch schon öfter gelesen, dass man sagt, eine Beziehung, die in sich intakt ist, da käme so etwas wie ein Seitensprung wie "naturgemäß" nicht vor. Ich halte das für ziemlich übertrieben, da ich zufällig zu wissen glaube, dass sexuelle Prägung mit moralischen und gesellschaftlichen Konventionen verknüpft sind, von denen doch keiner ernsthaft behaupten will, dass diese an sich nur gut sind (wie kommt es dann zu Krieg, zur Ausbeutung der Dritten Welt, zu Lug und Betrug in der Politik etc.?). Wenn man sich einmal matriarchalische Gesellschaften ansieht (von denen es heutzutage zugegebenermaßen recht wenige gibt), dann wird man feststellen, dass das Thema Eifersucht beim Fremdgehen, wie wir es verstehen, eine sehr viel geringere Ausprägung -wenn überhaupt- besitzt. Das Beispiel der Inuit, die ihre Frauen männlichen Gästen anbieten, dürfte wohlbekannt sein. Ähnliches gibt es auch in anderen Gesellschaften (Palau, Maori etc.). Entscheidend scheint hierbei zu sein, dass das Thema für alle Beteiligten transparent ist, jeder es weiß, und nichts wirklich hinter dem Rücken des anderen geschieht.
Dass ich meiner Frau immer treu gewesen bin, das alleine sagt doch noch nichts. Ich behaupte, so ziemlich jeder Mann hat in seinem Leben schon XXX-Filmchen konsumiert oder vielleicht Hefte. Natürlich könnte man jetzt behaupten, dass es ja da nur um reine Triebbefriedigung geht und dass das ja ganz abstrakt und unpersönlich ist. Doch wo fängt der Treuebruch denn an? Bin ich ein Saubermann, weil ich während meiner Partnerschaft nicht mit einer anderen im Bett war? Oder bleibe ich ein bewundernswert reines Wesen, obwohl ich auch als Verheirateter durchaus noch Augen im Kopf habe und ganz angenehm berührt werde, wenn ich einem wunderschönen Mädchen begegne und feststelle, dass ich sie ganz schön attraktiv finde und mich bei dem Gedanken erwische: "Ooooch, eigentlich schade!"? Will jemand wirklich ernsthaft behaupten, dass ihm/ihr so etwas niemals passieren könnte? Bin ich automatisch blind, wenn ich liebe?
Also, es ist mir schon klar, dass ich als gehörnter Ehemann momentan natürlich schon sehr intensiv nach "Strohhälmen" greife, will sagen: nach Erklärungen suche, wie Gerhard das sagt. Aber trotz meines Schocks und meines emotionalen Traumas, das durch dieses Ereignis ausgelöst wurde, gehe ich glaube ich nicht zu weit, wenn ich sage, dass doch bitte kein Mensch für sich beanspruchen sollte, ein Heiliger zu sein. Blos weil Du noch nie etwas wirklich Unrechtes getan hast, bist Du noch lange nicht automatisch ein guter Mensch. In uns allen schlummert immer beides, die Hölle und der Himmel, und jeden Augenblick entscheiden wir uns für die eine oder andere Seite, bleiben aber im Grunde grau. Diese Entscheidungen sind auch nie endgültig. Das mag von einer Seite her tröstlich sein, bietet dies doch auch immer einen Weg aus dem schlimmsten Übel. Es ist von der anderen Seite betrachtet aber auch eine Mahnung an unser Gewissen, immer an uns zu arbeiten. Und ja, manchmal ist diese Arbeit für die Katz', und man scheitert.
Ich möchte den Seitensprung meiner Frau bestimmt nicht in Schutz nehmen oder verteidigen. Dazu fühle ich viel zu realistisch den hierdurch ausgelösten Schmerz und es war nicht recht von ihr, mir das anzutun. Doch frage ich mich, woher der eigentliche Schmerz rührt? Und da stelle ich fest, dass es weniger die Tatsache ist, dass sie Sex mit einem anderen und nicht mit mir hatte. Es gibt noch andere Möglichkeiten für meine Frau, Sex ohne mich zu haben. Ich kenne keinen normalen Menschen, der wirklich etwas dagegen hätte, wenn sich der Partner zum Beispiel selbst befriedigt. Ich habe jedenfalls nichts dagegen. Wegen so etwas in seinem Stolz verletzt zu sein, weil der Partner sich Lust verschafft, ohne dass Du dabei bist, ist das nicht ein wenig albern? Kann es nicht im Gegenteil sogar anregend sein, weil beide darüber gesprochen haben und beide darum wissen? Woher will ich wissen, dass sie nur an mich dabei denkt? Das alles ist auch Lustgewinn meiner Frau ohne mich und in dieser Hinsicht eigentlich nicht wirklich etwas anderes als ihr Seitensprung.
Ich komme beim Nachdenken über den Seitensprung meiner Frau eher zu der Erkenntnis, dass mich eigentlich am meisten die Tatsache schmerzt, dass sie etwas suchen zu müssen glaubte, von dem sie dachte, ich könne ihr dies nicht geben, oder ich würde es nicht verstehen. Dass sie glaubte, ich könne nicht in jeder Hinsicht für sie da sein, ihr fehlte etwas, das sie sich nur heimlich beschaffen darf. Und dies ist der eigentliche Treuebruch. Dass das in ihrem Fall wie in so vielen Fällen mit Sex in Verbindung steht ist welchen Umständen, welchen unausgelebten Phantasien und sozialen Erwartungshaltungen auch immer zu schulden. Scheint aber gar nicht so selten zu sein, wenn man sich einmal die Statistiken hierüber so ansieht, was mich an sich schon stutzig macht, weil ich mir dann denke, dass unser von Kindesbeinen an erlernte Selbstbild schon in sich faul ist und dem, was wir Menschen zu sein scheinen, jedenfalls nicht grundsätzlich gerecht wird.
Ich habe in meinem ersten Beitrag geschrieben, dass ich glaube, dass kein Mensch einem anderen gehört. Mir gehört die Sexualität meiner Frau nicht. Sie würde sonst zu einer für mich frei verfügbaren Ware werden. Die kann man allenthalben auch auf dem Strich kaufen. Nein, die Sexualität ist wie ihr ganzes Wesen etwas, das ausschließlich ihr gehört, und sie darf es verschenken. Ich freue mich über ihre Geschenke. Schade und "aua!", dass sie es heimlich auch einem anderen geschenkt hat. Vielleicht hätte sie vorher mit mir über ihre Phantasien reden sollen. Möglich, dass sie es dann trotzdem immer noch getan hätte, geglaubt hätte, es tun zu müssen. Sie wäre aber ehrlich gewesen, und hätte mich nicht belogen. Und hätte mir die Chance gegeben, selbst dies mit ihr zu teilen.
Menschen sind manchmal schwach. Aber das ist an sich noch keine Schande. Wenn man sich darüber selbst etwas vormacht, ja dann eröffnet sich der Weg zur Lüge. Die beginnt bei einem selbst. Springt auf deinen nächsten über. Und mag im Betrug enden.