Ich bin auch Jahrgang 72 und bin auch mit Schlägen aufgewachsen, aber nicht so drastisch, wie bei vielen von Euch... - zum Glück...
Irgendwie kann ich Steffies Einstellung schon verstehen, wenn man damit aufwächst, kennt man es ja nicht anders und empfindet es nicht als schlimm, so ähnlich geht es mir auch.
Also bei meiner Mutter könnte ich mich nicht dran erinnern, daß sie uns geschlagen hat... Sie hat es ab und zu angedroht, wenn sie wirklich nicht weiterwußte und wir sie provoziert oder absolut nicht gehört haben, aber zugeschlagen hat sie soweit ich das noch weiß nie.
Mein Vater dagegen war oft sehr jähzornig, wir wurden sehr streng erzogen, vor allem am Tisch, meist hat er immer nur geschrien (eigentlich fast täglich...), da sind wir meist schon so zusammengezuckt, daß wir sofort gehört haben. Ab und an gab es dann von ihm mit der bloßen Hand eine oder manchmal auch ein paar hintendrauf, er war Metzger und hatte auch ohne "Hilfsmittel" so genug Kraft, daß es wehtat...
Oft waren es in meinen Augen "Kleinigkeiten", die ihn in Rage brachten, wie z. B. zu laute Musik... einmal hätte er fast meinen Kassettenrekorder zum 3. Stock aus dem Fenster geworfen so wütend war er...
Oder wenn wir Kids uns total laut gestritten haben und er Mittagspause hatte und sich auf dem Sofa ausruhen wollte... dann kam er rausgerannt und wir haben auch mal eine über den Kopf gezogen bekommen...
Das letzte Mal, als ich eine von ihm bekommen habe, war ich so etwa 12/13 Jahre alt. Ich sollte auf meinen kleinen Bruder aufpassen, der war damals so knapp 1 Jahr alt, meine Mutter war in der Kirche, ich wollte aber lieber fernsehen (Schwarzwaldklinik) und mein liebes Bruderherzchen hatte nichts besseres zu tun, als die sehr zähe und klebrige "Penatencreme) auf dem Teppichboden zu verteilen...
Als mein Vater das mitbekam, ist er ausgerastet... Damals hatte ich echt ein schlechtes Gewissen, weil ich meiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen bin, aber heute denke ich, daß eigentlich ER der Verantwortliche hätte sein müssen, er war ja schließlich auch zu Hause... :wand
Wie gesagt, es kam nicht sehr oft vor, daß wir mal Schläge bekommen haben und auch nie eine "richtige Tracht Prügel oder gar mit Gegenständen", aber es war trotzdem sehr schwer, dauernd mit diesem Respekt und der Ehrfurcht leben zu müssen, die unser Vater von uns verlangte...
Ich hab auch heute noch einen heiden Respekt (oder vielleicht auch Angst?) vor ihm, obwohl er sich die letzten Jahre wirklich wahnsinnig gebessert hat. Mit meinem Auszug von zuhause mit ca. 21 Jahren, ging es dann plötzlich besser und seit meine zwei Jungs da sind, ist er ein richtig lieber und fürsorglicher Opa geworden. Meine Mutter sagt oft, mann, der macht jetzt Sachen mit den Kiddies, die hätte er bei Euch (meinen zwei Brüdern und mir) nie gemacht...
Er spielt sogar freiwillig den Babysitter und läuft ganz stolz mit dem Kinderwagen spazieren... ;-)
Und daß der Kleine ein richtiges Opa-Kind ist, scheint ihm sogar irgendwie zu imponieren *lach*...
Ich glaube, daß wir drei Kinder teilweise schon stressig waren und jetzt, wo alle aus dem Haus sind, er sich und seine Nerven ein bißchen regenerieren konnte und darum ruhiger geworden ist. Oder liegt es am zunehmenden Alter, daß man gelassener wird? Vielleicht hat er sich bei uns schon zu viel aufgeregt und hat jetzt gar keine Kraft mehr, sich über die Enkel auch noch aufzuregen? *lach*
Wenn ich jetzt die ganzen Kinderjahre revue passieren lasse, dann waren einige Dinge dabei, die nicht so schön waren, aber ich kann nicht sagen, daß ich wegen der Schläge eine schlechte Kindheit hatte... sie war vielleicht strenger, wie die einiger anderen, aber ich hab auch mitbekommen, daß viele meiner Klassenkammeraden es noch viel schlimmer hatten, ähnlich wie oben von einigen beschrieben...
Mein damaliger Schulfreund, der eine Straße weiter wohnte, hatte schon Panik im Gesicht, wenn er abends das Türschloß hörte, wenn sein Vater heimkam... Meist war dieser angetrunken und er und sein Bruder mußten ihm immer gleich ihre Schulhefte vorzeigen... und wehe es war irgendwo ein Klecks zu sehen oder die Schrift war nicht schön genug, dann gab´s erstmal "richtige Prügel", der Vater riß die Seiten raus (oft hatte der Junge nur noch ganz dünne Hefte) und die beiden durften abends nochmal alles neu schreiben, und oft gab´s noch eine Woche Stubenarrest dazu...
Der kleinere der beiden Jungs war übrigens mit 8 oder 9 Jahren noch Bettnässer und bekam dann gleich wieder Prügel... also gefangen in einem Teufelskreis...
Einige Jahre später hab ich diesen Schulfreund wieder getroffen... : Sein kleiner Bruder saß wegen Handtaschenraubs und Messerstecherei im Knast... und er selber hatte wohl auch schon einen entsprechenden Werdegang hinter sich... Diebstahl, Automatensucht, usw.... Ich glaube jedes weitere Wort erübrigt sich hier... :wand
Ich glaube daß zu den Jahrgängen 70/80er Schläge fast an der Tagesordnung waren, oder sehe ich das falsch? Also ich weiß eigentlich von den meisten meiner damaligen Freunde/Freundinnen, daß zu Hause mit Schlägen bestraft wurde, nur bei dem einen Freund war es eben so drastisch...
Wir hatten damals sogar noch eine Lehrerin, die noch Backpfeifen "vergab"... Dann kam es aber als Gesetz raus, daß es verboten wurde, zum Glück...!
Ich will auch das Verhalten meines Vaters keinesfalls entschuldigen oder ihn verteidigen, aber ich habe ähnlich wie Steffie die Ansicht, daß es einfach zu der Zeit dazugehörte, daß es mir nicht wesentlich geschadet hat, daß ich es aber auf keinen Fall gutheiße und auch selber auf mich wütend bin, wenn ich meinen Kids mal eins hintendraufgebe, obwohl ich mir geschworen habe, wie meine Mutter niemals Hand an meine Kinder zu legen... aber manchmal versagen auch mir die Vorsätze, aber ich arbeite daran...
Bye
Carmen