Ich gehöre zu denen, die von ihren Eltern superautoritär erzogen wurden, und da kam Prügel schon desöfteren vor. Auslöser waren die verschiedensten Momente: Mal war ich frech, mal hab ich gelogen (um Strafe zu entgehen), mal waren es schlechte Noten in der Schule.. an alle Gründe im Einzelnen kann ich mich nicht mehr erinnern. Jedenfalls hat meine Mutter ganz schön zugelangt, und als ihre Kraft dann nicht mehr ausreichte, es mir halt nicht mehr richtig weh tat, wurden meine "Untaten" meinem abends heimkehrenden Vater gesteckt und dann war er am Zug.
Aus jetziger Sicht kann ich sagen, dass diese Prügel zwar keinen bleibenden Schaden hinterlassen haben, aber vergessen, dass es sie gab, kann ich auch nicht. Ich liebe meine Eltern sehr; heute haben wir ein extrem gutes Verhältnis. Dennoch hege ich tief in meinem Inneren einen ungelebten tiefen Groll gegen eine Sache, gegen die ich mich damals nicht wehren konnte. Und das mit fast 40 Jahren. Kürzlich noch unterhielt ich mich mit meinen Eltern über "damals" und sie gaben zu, vieles falsch gemacht und ein fürchterlich schlechtes Gewissen deshalb zu haben. Viele Situationen, die sich in mein Gedächtnis förmlich eingebrannt haben, sind ihnen jedoch gar nicht mehr bewusst. Entschuldigt wurde das alles damit, dass ich zum einen wohl ganz schön frech gewesen sein muss (das glaube ich unbesehen *ggg), auf der anderen Seite aber vor allem meine Mutter massiv überfordert war. Sie hatte erst ein, dann zwei kleine Kinder, heftige wirtschaftliche Sorgen, ging neben ihrem Dasein als Hausfrau und Mutter noch arbeiten und war nervlich sicherlich nicht gerade die Stärkste. Die Probleme wuchsen ihr über den Kopf; zudem hat sie nie gelernt, Konflikte anders zu lösen als mit Sanktionen bzw. Schläge. Es wurde ihr von der eigenen Familie nicht anders vorgelebt. Sie gehört zu einer Generation (Baujahr 1937), die das niemals kritisch hinterfragt, sondern einfach so akzeptiert und dann auch in ihren eigenen Erziehungsstil übernommen hat.
Ob ich jetzt Schläge auf den Hintern oder ins Gesicht bekommen habe, war für mich eigentlich völlig sekundär. Beides tat weh, vor allem körperlich. Aus jetziger Sicht muss ich jedoch sagen, dass mir vor allem die Situationen in Erinnerung geblieben sind, bei denen ich verhauen wurde, obwohl ich nicht vorsätzlich etwas angestellt hatte, also für mein Dafürhalten unverschuldet verhauen wurde. Oder aber ungerechterweise; da hab ich dann Haue kassiert, obwohl jemand anders Mist gebaut hatte, mir aber nicht geglaubt wurde.
Einschub @Nebenwolf: Es geht für mich jetzt nicht darum, beurteilen zu wollen, ob Schläge grundsätzlich (also auch in Situationen, in denen ich frech war oder gelogen hatte) fair oder unfair waren. Es ist eine "ungleiche Waffe", da Eltern i. d. R. ihren Kindern kräftemäßig überlegen sind. Also kann es in keinem Fall fair sein.
Aus diesen Erfahrungen habe ich schon meine Lehren gezogen, und sie haben auch meine Persönlichkeit beeinflusst. Während ich früher viel gelogen habe, um (Pügel-)Strafe zu entgehen, bin ich nun zu einem absoluten Wahrheitsfanatiker geworden. Zudem ist mein Gerechtigkeitssinn extrem ausgeprägt; wenn ich angegangen werde, hinterfrage ich kritisch und bin mir auch nicht zu fein, mich zu entschuldigen. Ich habe mich sehr damit beschäftigt, was ich in meiner Kindheit erlebt habe. Meine Wut über die Prügel habe ich an meinem Tagebuch ausgelassen, in dem ich mir auf das Übelste ausgemalt habe, wie ich am liebsten "zurückschlagen" würde.
Vor allem aber - und das ist am wichtigsten von allem - habe ich mir fest vorgenommen, meine Tochter niemals zu schlagen, da ich weiß, dass ich bei aller Liebe zu meinen Eltern ihnen ihr Verhalten niemals ganz verzeihen können werde. Ich möchte nicht, dass meine Tochter jemals so über mich denken wird. Ich hoffe, dass ich diese Beherrschung und Besonnenheit aufbringen werde. Und ich bin mehr als zuversichtlich:
Natürlich spielt auch meine eigenen Entwicklung eine Rolle. Während ich früher eine kleine Tretmine war, bin ich mit den Jahren viel ruhiger geworden. 20 Jahre Job mit den verschiedensten Kontakten lassen einen wachsen. ;-) "Einen Tag drüber schlafen und dann reagieren!", ist für mich zum Mittel der ersten Wahl geworden. Ich denke, wenn Eltern so verfahren würden, wäre das ein erster Schritt. Es geht nicht darum, Kinder nicht zu sanktionieren. So weit geht die gelebte Milde in meinem Verständnis dann nicht. Aber es gibt Mittel, die nicht minder, wenn nicht sogar besser funktionieren, um ein Kind zu erziehen. Kinder schießen nun mal gerne über ihre Grenzen hinaus und viele begreifen eben nicht durch bloße Erklärungen (Ich erinnere mich an einen Nachbarsjungen, der seine Katze so in die Seite trat, dass die heftigst schreiend in den Gartenzaun flog. Die Mutter meinte nur zu ihm "Jan, das macht man aber nicht. Das tut dem Tierchen doch weh!" Kurze Zeit später, diesmal war die Mutter nicht dabei, machte er dasselbe wieder. NICHTS hatte er begriffen!)
Es mag sein, dass es tatsächlich Kinder gibt, die sich mit antiautoritärer Erziehung (das Ganze ist ja mit "laissez faire" sogar noch steigerungsfähig :kotz: ) prima entwickeln. Aber es gibt eben auch Kinder, bei denen dieser Erziehungsstil nicht funktioniert. Nicht jedes Kind ist so einsichtig, nicht jedes Kind ist so ausgeglichen, nicht jedes Kind ist so intelligent wie das andere.
Und hier gilt es für die Eltern, den richtigen Erziehungsstil zu finden. M. E. sind viele Eltern heutzutage einfach überfordert. Sie kennen keine Stellen, an die sie sich bei Problemen wenden können; hierfür müsste viel mehr "Werbung" gemacht werden.
Auch Eltern werden nicht als Eltern geboren; sie sollten zumindest eine Chance bekommen, zu lernen. Sanktioniert man die o. a. Mutter allein mit einer Geldstrafe, so kann ich das nicht gut finden. Sie wird ihr Kind weiter schlagen, nur diesmal zusehen, dass sie nicht beobachtet wird. Vielmehr sollte ihr durch den vorgeschriebenen Besuch einer Veranstaltung zu diesem Thema einmal RICHTIG klar gemacht werden, was sie falsch gemacht hat bzw. noch besser, welche Alternative sie gehabt hätte. Aber so etwas kostet Vater Staat ja, und wie bei so vielen Dingen ist hierfür sicherlich wieder kein Geld da.
Sorry, ist ein bisschen lang geworden. Aber ich denke, dies ist ein sehr komplexes Thema...