Hallo,
ich wünsche Dir und Deinem Mann zunächst mal ganz viel Kraft, dass durchzustehen, denn die braucht Ihr und Eure Kinder. Und die solltet Ihr Euch deshalb schaffen - indem Ihr Euch zwischendrin immer mal wieder Zeit für Euch nehmt, das tut, was Ihr gerne tut, denn von dieser Kraft profitieren dann auch Eure Kinder. Momentan machst Du, aus der Ferne, auf mich den Eindruck, als würde Dich diese Sache völlig fertig machen. Meiner Erfahrung nach sind aber das eigene Wohlbefinden der Eltern in dieser Situation und eine, trotz allem positive, Herangehensweise bedeutende Faktoren bei der Problemlösung, und das noch viel mehr so, weil die große Möglichkeit besteht, dass Deine Tochter einen "Pinkelwettbewerb" mit Euch eröffnet hat: Es kann sein, dass sie sich mit allen Mitteln durchsetzen will, dass sie Euch "auf der Nase herum tanzt", oder wie immer man auch solche Situationen im Deutschen nennt. Wenn Ihr als Eltern stark und einig seid, wenn Ihr ruhig bleibt, gebt Ihr Euch das Mittel an der Hand, wieder die Oberhand in der Kindererziehung zu gewinnen - was nicht bedeuten soll, dass Ihr dann schon gewonnen habt. Dazu wird wohl einiges an Kampf nötig sein. Im Moment sieht es mir so aus, als wolle Eure Tochter Euch erziehen: Indem sie einfach so lange randaliert, bis sie ihren Willen bekommt.
Es war ja in diesem Thread schon darüber gerätselt worden, ob diese Probleme möglicherweise mit den Problemen mit Deinem Sohn zusammen hängen könnten. Beim genauen Lesen beider Threads ist mir aufgefallen, dass es doch einige Gemeinsamkeiten gibt, sowohl im Verhalten der Kinder, als auch in Deiner Herangehensweise: Da ist zum einen erst einmal das Schreien - beide scheinen das zu tun, bis sie ihren Willen haben. Da ist aber auch dein Verhältnis zu Vorschlägen von außen: Bei Deinem Sohn war es die "Supernanny", deren Herangehensweise in der Tat oft kritisch zu betrachten ist; bei Deiner Tochter war es anfangs der Vorschlag der Lehrerin, der in Deinen Ausführungen dann gleich das Prädikat "kann ich mich nicht mit anfreunden" erhielt. Der Vorschlag "Bonding" wird derweil von Dir abgelehnt, weil Deine Tochter "genauso stark ist, wie ich".
Das ist kein Vorwurf an Dich, sondern eine Feststellung. Du liebst Deine Kinder über alles, und anfangs war es vermutlich so, dass Du, wenn sie geweint oder geschrien haben, Mitleid mit ihnen hattest, was dann dazu geführt hat, dass Du nachgegeben hast, und die Dinge, die getan werden mussten, nicht getan wurden.
Hinzu kommt, dass Ihr, als Erwachsene, in einem Haufen von Zwängen feststeckt: Ihr wollt Eure Nachtruhe. Ihr wollt, dass die Kinder natürlich aufs Gymnasium kommen. Ihr habt Angst davor, dass die Nachbarn die Polizei rufen. Die Kinder hingegen sehen nur: "Bekomme ich meinen Willen, oder nicht". Sie haben diese Zwänge nicht, aber sie spielen mit ihnen.
Ich muss aber auch sagen, dass ich einige Zweifel habe, ob Ihr da alleine rauskommt, weill Deine Kinder auch ein Aggressionsverhalten aufzeigen, dass sich bei Deiner Tochter mittlerweile in Angriffen auf Sachen und auch auf Dich äußert, so wie Du das beschreibst.
Warum das so ist, kann hier niemand beantworten. Aber dagegen anzugehen, ist ein mühsamer Weg: Man muss die Situationen und Umstände erkennen, die diese Aggressionen hervor rufen, denn meist ist es so, dass sich der Aggressive ungerecht behandelt fühlen, was nicht bedeuten soll, dass tatsächlich eine Ungerechtigkeit vorliegt, es ist nur in dieser Situation ein subjektives Empfinden, und wenn sich dies mit einem Empfinden der Schwäche, der Unterlegenheit paart, kann daraus Aggression werden. In diesem Fall: Tochter weiß irgendwo innen drin, dass sie, wenn sie heult, ihren Willen bekommt. Das ist ihr Mittel, sich durchzusetzen. Wenn die Eltern aber sagen: "Dann heul' doch", tritt Hilflosigkeit und damit möglicherweise auch Aggression ein: Tochter fühlt sich unfair behandelt, weil sie glaubt, dass ihr Wille ihr Recht ist, aber sie fühlt sich machtlos, dies durchzusetzen. Und da hat Majus Vorschlag, festuzhalten, seinen Platz - aber es ist ein Vorschlag, der nicht allein bleiben darf. Nur allein Festhalten bringt nichts. Man muss auch der Wut Rechnung tragen, indem man sie offen anspricht: "Bist Du wütend, weil Du Hausaufgaben machen musst?", nicht "Warum bist Du wütend?"
Ich muss das leider hier verknappen, weil der gesamte Prozess der Aggressionsbewältigung einfach zu umfangreich ist, um ihn hier zu erklären.
Ich denke, dass es Zeit ist für einen Erziehungsberater, wenn einer oder eine bei Euch verfügbar ist.
Viele Grüße,
ariel