Hallo Sonja,
also hier kommt mal Teil 1...
ich freue mich, daß Du Dich trotzdem noch gemeldet hast, dachte nicht, daß Du nochmal schreibst. Unterstellt habe ich Dir wie ich finde gar nichts, Du hast mir unterstellt, mir wäre das Thema wohl nicht wichtig genug oder ob ich bei pers. Gesprächen auch einfach „davonlaufe“, und das hat mich schon ziemlich getroffen...
Aber ich bin mir wirklich keiner Schuld bewußt, außer, daß ich vielleicht deine Kritik erstmal hätte setzen lassen und erst dann antworten sollen, da ich eben auch ziemlich impulsiv bin... Auch sehe ich ein, dass Du mich nicht kennen und wissen kannst, dass ich eigentlich jeden Tag hier bin und auch immer antworte, auch wenn’s mal länger dauert, aber ich finde trotz allem kann man so was auch in einem anderen Ton sagen… Ich an Deiner Stelle hätte erstmal vorsichtig nachgefragt, da ich es selber auch nicht will, dass man mich gleich frontal angreift, man kann so was auch anders umschreiben und sich vorsichtig rantasten…
Ich hab zwar gemerkt, dass Du wohl ein recht direkter Mensch bist, in mancher Hinsicht ist das ja auch ok, manchmal öffnet das einem ja auch die Augen, aber ich kann mit solchen Leuten immer etwas schwer umgehen, weil ich mich eben oft gleich angegriffen fühle. Ich hatte auch mal eine Arbeitskollegin, die auch sagte was sie dachte, egal bei wem, bei der ich anfangs auch immer schlucken musste, aber dann war ich es gewohnt, kannte sie eine Weile und wusste, wie sie es meinte…
Sie darf auch heute noch Dinge zu mir sagen, bei denen ich bei anderen total eingeschnappt wäre… ich bin zwar schon dafür, dass man ehrlich zueinander ist, aber ich finde über einen „sanfteren“ Weg ist es einfach leichter, zumindest seh ich das so…
Ein Grund mehr ist bei mir eben mein katastrophaler psychischer Zustand im Moment, in dem ich Kritik (und aus meiner Sicht war sie eben nicht gerechtfertigt) schlecht vertrage. Um es Dir deutlich zu machen, wenn im Moment einer kommt und sagt, Dein Haarscheitel ist schief, brech ich in Tränen aus - mal übertrieben gesagt...
Aber ich glaube auch, daß ich es nicht nötig habe mich zu rechtfertigen, aber wie Du schon erkannt hast, habe ich das wohl tief in mir drin, daß ich mich immer als Looser und für alles verantwortlich fühle... auch liegst Du damit nicht verkehrt, daß ich als Kind wohl ähnliches mitgemacht habe wie Michael... ich bekam zwar nicht so oft Schläge, aber mein Vater hat mir wirklich nie was zugetraut. Bei jedem zweiten Satz kam, sag mal bist zu blöd? Oder hätt ich mir doch gleich denken, können, daß du das nicht kannst usw... Nur ER war perfekt (heute kann ich darüber nur lachen, heute weiß ich, daß er sein eigenes mangelndes Selbstbewußtsein nur mit "Macht und Druck" auf uns Kinder überspielt hat). Was ER sagte, wurde gemacht, fertig, basta. Es gab keine Chance, sich zu rechtfertigen oder zu diskutieren... ER hatte das letzte Wort...
Dadurch hatte ich auch in der Schule fast kein Selbstvertrauen und für die anderen war es ein Leichtes, mich dauernd "verarschen" zu müssen, ich war wohl der geborene Kandidat fürs typische Fettnäpfchen...
Dieser Frust führte wiederum dazu, daß ich immer mehr Süßigkeiten in mich reinstopfte, weil es die einzigste Genugtuung, Freude? für mich war... Essen machte mich schon immer glücklich...
Aber natürlich trug das Dicksein nicht dazu bei, mein Selbstbewußtsein irgendwann zu stärken, im Gegenteil - es wurde noch weniger und so ist es auch noch heute...
Ich kann mich nicht so akzeptieren wie ich bin, ich fühle mich total unsicher, leg keinen Wert auf mein Aussehen, mag meinen Körper einfach nicht und habe manchmal das Gefühl, daß mein Körper es nicht nötig hat, daß ich irgendwas an ihm mache... Ich frage mich, warum sollte ich eine neue Frisur machen, dick bin ich eh, dann kann ich es doch gleich lassen, das reißt es dann auch nicht raus...
Aber wie gesagt, ich hätte genausowenig die Kraft, einfach abzunehmen, da es mir im Moment einfach zu anstrengend ist, da meine Kilos hauptsächlich vom Frustessen kommen…
Aber ich glaube nicht, daß es uns weiterbringt, wenn ich von mir erzähle, ich möchte, daß es meinem Sohn anders ergeht, ich möchte, daß er ein besseres Leben hat, als ich es hatte, zumindest psychisch... ich will ihm eigentlich Selbstbewußtsein mitgeben und mache genau das Gegenteil...
Original von Sonja:
Wäre es sehr schwer für Dich in einer solchen Situation zu sagen "Ich bin jetzt wirklich sehr wütend auf Dich und mir platzt gleich der Kragen, aber genau DAS will ich nicht mehr! Ich will das wir wie zwei vernünftige Menschen miteinander reden, deshalb muss ich jetzt Abstand von Dir haben und werde einige Minuten das Zimmer verlassen!" Dann gehst Du aus dem Raum und sammelst Dich bis Du wieder soweit bei Dir bist das Du zurück gehen kannst.
Das hört sich alles so leicht an, aber ich nehme Michi schon oft in den Arm und sag ihm immer, dass ich das nicht wollte und es mir leid tut, auch oft abends im Bett entschuldige ich mich bei ihm, er versteht auch (noch) nicht, was „lieber vernünftig Reden“ bedeutet, nicht weil er es ja leider nicht kennt, sondern weil ihm vom Alter her das Verständnis fehlt (was hat er sich darunter vorzustellen?)… Wenn er dann grad so aggressiv ist und ich es schaffen würde, aus dem Zimmer zu gehen, ohne auch aggressiv zu werden, dann wüsste ich, dass er sofort die Tür aufmachen würde und sagen würde: Ich WILL aber das und das, oder ich mach trotzdem dies und jenes… und spätestens dann wären meine guten Vorsätze auch dahin…Deshalb ist ja auch so schwer, was neues auszuprobieren, weil ich glaube meinen Sohn so gut zu kennen, dass fast alle Möglichkeiten, die Du genannt hast, nicht viel helfen würden.
Z . B. die Situation im Kaufhaus mit dem Wagen… ich könnte es 100 x vorher sagen, wie ich erwarte, dass er sich zu benehmen hat, er würde sagen: Ja Mama, ich bin lieb… und bei der nächsten Ecke, tickt er wieder aus… Wenn ich ihn dann wie angedroht in den Wagen setzen würde, würde er nur grinsen und sagen: Au ja, jetzt bin ich ein Baby wie Lukas (sein Bruder), er findet das total witzig und fühlt sich überhaupt nicht blamiert oder so, für ihn wäre das doch toll, so zu sein, wie sein kleiner Lukas… Also würde ich ihm ja noch zu mehr Aufmerksamkeit von den anderen verhelfen und wenn jemand über ihn lacht, ist das Bestätigung pur für ihn und er macht nur noch den Kaspar...
Verstehst Du was ich meine? Ich hab es mir schon ein paar Mal überlegt, ich habe den 1. Versuch gemacht, zu sagen, dass wir was ändern müssen, dass ich möchte, dass er mir folgt, weil ich die Erwachsene bin, weil ICH der Chef bin… und was kam? Wie schon erwartet, sofort der Satz: NEIN, ICH bin der Chef…
Beim Frühstück zum Beispiel.....
Bei Renè haben wir es beim Frühstück so geregelt, das er eine halbe Stunde Zeit hat, ich ihm das vorher sage was er in der halben Stunde nicht geschafft hat bleibt liegen, ohne Diskussion. Renè hat dann die Wahl gehabt zu essen oder es zu lassen und muss mit der Konsequenz leben das ihm vielleicht um neun schon wieder der Magen knurrt! Verhält er sich darüber hinaus bei Tisch nicht anständig und quatscht permanent, kriegt er die eins, die zwei, die drei und dann ist die Mahlzeit für ihn beendet! Auch das ohne Diskussion, er könnte sich auf die Erde schmeissen und schreien er dürfte nicht weiter essen!
Er weiß das und ihm ist es lieber wir sitzen alle friedlich beieinander....
Das ist wieder so eine Sache… Michael ist es sch…egal, ja sogar eine Freude, nichts Essen zu müssen… was glaubst Du, was es für ein Kampf ist, ihn an den Tisch zu bekommen… Er HASST Essen und es ist für ihn keine Strafe sondern eine Erleichterung, wenn er nicht essen muß, damit täte ich ihm ja einen Gefallen… er würde höchstens mal abends freiwillig kommen. Er hatte schon als Kleinkind keine „Zeit“ zum Essen, alles andere war ja viel interessanter und man musste wenigstens nicht stillsitzen…
In einer solchen Situation wie Du sie am Nachmittag schilderst würde ich und habe ich Renè tatsächlich meine körperliche Stärke demonstriert und ihn festgehalten und auf sein Zimmer gebracht! Noch sind die Jungs so klein dass das geht! Beuge vor Carmen damit Du nicht in die Situation kommst das versuchen zu müssen wenn er eindeutig stärker ist als Du! Ich habe Mütter kennen gelernt die von ihren Söhnen geschlagen werden wenn sie versuchen ihnen etwas entgegen zu setzen. Jetzt hast Du noch Zeit so etwas ab zu wenden, aber irgendwann wird es mal zu spät sein dafür! Bleib ruhig dabei!
Mein Sohn schlägt auch schon mal nach mir, das bleibt ja wohl nicht aus… ich habe es auch schon mit festhalten versucht, aber er tobt und schlägt um sich, dass ich keine Chance habe… er rastet dann nur noch mehr aus… hab das auch als er kleiner war, schon mal probiert – es gibt ja diese Festhaltetherapie – aber, es hat wirklich null komma null gebracht… aber vielleicht werd ich es doch noch mal versuchen…
Außerdem könnte ihn nie auf sein Zimmer sperren, weil es oben ist und ich absolut keinen Überblick hätte, ihm wäre das total egal und er würde höchstens noch mehr Sauerei machen, anstatt über seine Fehler nachzudenken…
Teil 2 folgt gleich...