Betrifft: „Erwachsen auf Probe“
Sehr geehrte Frau Schäferkordt, sehr geehrter Herr Sänger, sehr geehrter Herr Rendez,
als Professorin und MitarbeiterInnen der Arbeitseinheit Entwicklungspsychologie an der Universität des Saarlandes protestieren wir gegen die Sendung „Erwachsen auf Probe“ und fordern Sie im Interesse des Kindeswohls und zur Vermeidung weiteren Schadens auf, die Sendung abzusetzen und vorab einer kritischen Prüfung durch Fachleute aus dem entwicklungspsychologischen und neurowissenschaftlichen Bereich unterziehen zu lassen. „Erwachsen auf Probe“ zeichnet sich durch Ignoranz gegenüber den entwicklungspsychologischen und sozioemotionalen Bedürfnissen bei Säuglingen aus.
Hier werden Babys einem Experiment ausgesetzt, das ihre Persönlichkeit missachtet. Durch die Umsetzung der Grundidee, Dritten die Erfahrung des "Elternseins" zu ermöglichen, werden diese Kinder gequält, weil sie nur durch eng vertraute Bezugspersonen getröstet werden können. Auch die unerfahrenen Teen-„Elternpaare“ werden ihren begrenzten Möglichkeiten überlassen, so dass sie zwangsläufig überfordert sind - auch dies ist eine Form des Missbrauchs - und dürfte dazu führen, dass noch weniger Paare bereit sind, Kinder zu bekommen.
Mit pseudo-wissenschaftlichen Rechtfertigungen wird die Sendung als wichtiges erzieherisches und soziales Experiment beworben, aber hinter dieser Fassade steht ein Projekt, was einem ethischen Mindestanspruch an Menschenwürde und Fernsehunterhaltung nicht einmal entfernt nahe kommt. „Erwachsen auf Probe“ ist fertig gedreht, die verliehenen Babys sind vor dem Schaden nicht mehr zu bewahren. Möglicherweise kommen die Urheber sogar ungestraft davon. Sie haben als Programmgestalter jedoch Verantwortung gegenüber der gesamten Gesellschaft und nicht nur gegenüber der angestrebten "Quote" und Zuschauerbeteiligung.
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Prof. Dr. Gisa Aschersleben
Stellvertretende Geschäftsführende Professorin
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Datum: 19. Mai 2009
UNIVERSITÄT DES SAARLANDES
FR 5.3 Psychologie – AE Entwicklungspsychologie
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Durch das Ausstrahlen der Sendung muss in der Bevölkerung ganz zwangsläufig der Eindruck entstehen, Babys können willkürlich aus der Obhut ihrer vertrauten Bezugsperson entfernt werden, dies bliebe schadlos und sei daher akzeptabel. Damit unterminieren Sie die für Stabilität des Zusammenlebens nötige gesellschaftliche Empathie.
Wie Ihnen sicher bekannt ist, wurde auch in England eine Produktion auf Channel 4 wegen Gefährdung des Kindeswohl und mit der Begründung abgesetzt, dass Kinder ihrem Entwicklungsstand gemäß behandelt und vor kommerziell motiviertem Missbrauch bewahrt werden müssen. Daher fordern wir Sie auf, diese Sendereihe unverzüglich aus Ihrem Programm zu nehmen und erwarten von Ihnen eine Reaktion bis 02.06.09, 12 Uhr.