Florida-Rolf
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Unter dem Namen Florida-Rolf geriet ein deutscher Sozialhilfeempfänger (* um 1940) im Jahr 2003 als angeblicher „Sozialschnorrer“ in die Schlagzeilen der Boulevardpresse.
Hintergrund [Bearbeiten]
Im August 2003 berichtete die Bild-Zeitung in populistischer Weise, dass ein Mann namens Rolf J. mit der monatlich aus Deutschland überwiesenen Sozialhilfe in Miami Beach ein Appartement in unmittelbarer Strandnähe finanzierte. Dem angeblichen „Sozialschnorrer“ gab sie den Namen „Florida-Rolf“.
Der Mann war nach einer gescheiterten Ehe 1979 nach Florida gezogen und arbeitete dort als Immobilienmakler. Nach der Diagnose einer Bauchspeicheldrüsenentzündung wurde er 1985 erwerbsunfähig. Nachdem ihm ein Gutachter bestätigte, dass bei einer Rückkehr nach Deutschland eine erhöhte Suizidgefährdung bestehe, stimmte das Sozialamt seinem Wohnsitz in Florida zu und überwies ihm monatlich 1.425 Euro als angemessenen Lebensunterhalt. Die Höhe der Gesamtleistung (einschließlich Kosten der Unterkunft) belief sich nach anderen Quellen auf 1.900 Euro pro Monat.
Grundlage der Zahlungen war § 119 des Bundessozialhilfegesetzes, wonach in besonderen Notfällen auch im Ausland lebende deutsche Staatsbürger ein Anrecht auf Sozialhilfe haben. Dieses Gesetz war geschaffen worden, um sozialhilfebedürftig gewordenen Opfern des Nazi-Terrors die Rückkehr nach Deutschland zu ersparen. Zum Zeitpunkt des BILD-Artikels waren nach Angaben des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ 959 im Ausland lebende Personen sozialhilfeberechtigt.
Infolge der durch die Medien geschürten öffentlichen Empörung verabschiedete das Kabinett innerhalb kürzester Zeit auf Betreiben der Bundessozialministerin Ulla Schmidt eine Verschärfung der Richtlinien zur Zahlung von Sozialhilfe ins Ausland. Seither wird nur noch deutschen Staatsbürgern, die in ausländischen Gefängnissen einsitzen, Krankenhauspatienten, Frauen, die im Ausland um ihr Sorgerecht kämpfen sowie Überlebenden der Nazi-Diktatur der Anspruch auf Sozialhilfezahlungen ins Ausland gewährt.
Vor diesem Hintergrund kündigte der nunmehr 64-Jährige an, nach Deutschland zurückkehren und Altersrente beantragen zu wollen. Kritiker der eilig durchgesetzten Gesetzesänderung gehen davon aus, dass die Novelle in Wirklichkeit deutsche Steuerzahler zusätzlich belastet. Zum einen müsse der Staat für den Rücktransport und die Umzugskosten aufkommen. Außerdem hätten die Betroffenen in aller Regel in Deutschland höhere Zuwendungs-Ansprüche: Die Mehrheit derjenigen, die durch die Gesetzesänderung zur Rückkehr gezwungenen worden seien, hätten vorher nicht in den USA, sondern in Ländern wie Polen gelebt, in denen die Lebenshaltungs- und damit auch die entstehenden Unterstützungskosten niedriger gewesen seien, als in der Bundesrepublik, so die Kritiker. (Quelle: "Florida-Rolf" und Bohlens Lebensbeichte: zum Agenda-Setting der "Bild", Bundeszentrale für politische Bildung)
Da die rechtlichen Änderungen trotz äußerst zweifelhaften Nutzens das (ansonsten oft langwierig erscheinende) Gesetzgebungsverfahren binnen weniger Wochen durchliefen, gilt der Fall als ein wenig gutes Beispiel von Ad-hoc-Gesetzgebung. Einschlägig ist nun der neue § 24 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch, SGB XII, der die Sozialhilfe für Deutsche im Ausland regelt.
Kritik [Bearbeiten]
Besonders von eher linken Gruppierungen wurde Florida-Rolf oft in Schutz genommen (und genießt mitunter sogar Kultstatus): Er werde als Sündenbock benutzt, um von ungleich höheren Verlusten für den Staat durch Steuerhinterziehung oder Korruption abzulenken und allgemein stereotype Ressentiments gegen Sozialhilfeempfänger zu schüren, statt ungleiche Einkommens- und Lebensverhältnisse zu hinterfragen. Sein Lebensstandard sei nicht luxuriös gewesen.