Hallo mamasanny,
da musste ich glatt noch einmal einen Kaffee aufsetzen. Das wird nämlich länger.
Ich führe seit einiger Zeit ziemlich intensiv Tagebuch, um mich mit der Situation auseinander zu setzen. Gerade heute habe ich notiert:
"Ich merke immer und immer wieder, dass ich nach Entschuldigungen für ihr Verhalten suche, nach Erklärungen - egal, was sie auch tut, ich frage nach dem "Warum". Das öffnet einerseits für vieles die Augen. Andererseits: Warum zum Teufel muss ich diese Frau eigentlich verstehen? Sie hat getan, was sie getan hat: Jahre lang eine "Nebenehe" geführt, mich belogen, mir in meine neue Beziehung hineingepfuscht. Das müsste doch eigentlich reichen, um sie fallen zu lassen. Und was tue ich? Ich suche nach Erklärungen, Entschuldigungen - ich relativiere ihr Verhalten, weil ich sie "so schlecht" nicht sehen will. Das ist verrückt, weil es das Loslösen so schwierig macht."
Du siehst also, dass da durchaus der Wunsch nach "Verstehen" ist. Bei uns war es so, dass aus diesem Grunde NACH der Trennung sehr viele, äußerst tiefgehende Gespräche geführt wurden. Sie gingen wirklich an die Substanz. Ich habe das inzwischen abgebrochen, weil sie mich nicht wirklich weiterbringen. Fakt ist und bleibt nämlich: Sie hat getan, was sie getan hat. Das ist IHRE Verantwortung, nicht MEINE. Das ist eine für mich im Moment ganz wichtige Kernaussage, ein Selbstschutz.
Und warum haben wir es vor der Trennung nicht geschafft, diese Gespräche zu führen? Entfremdung ist kein schlagartiger, sondern ein ganz schleichender Prozess. Und: Menschen verändern sich nun mal im Laufe einer so langen Zeit, manche sehr extrem. Das macht Kommunikation nicht unbedingt einfacher. Um das zu erklären, muss ich ein wenig ausholen und von den verschiedenen Phasen meiner Ehe erzählen.
Wir haben uns 1,5 Jahre gekannt, dann geheiratet und sind zusammengezogen (die Reihenfolge war tatsächlich so "katholisch"). Die Ehe war anfangs sehr zielgerichtet: Wir wollten Kinder, wir wollten ein Haus. Das alles hat im Sauseschritt geklappt: 1. Kind, Haus, 2.Kind - das ging innerhalb von drei Jahren über die Bühne.
Und dann ging's los: Die Ziele waren erreicht, wir haben es nicht geschafft, sie mit Leben zu erfüllen. Meine Frau hatte große Probleme damit, Mutter zu sein - heute weiß ich, dass das mit ihrem Elternhaus zu tun hat. Sie hat sich dann sehr stark zurückgezogen - sie selbst sagt heute, sie sei ein "Nichts" gewesen. Sie ist tatsächlich in ihr Bett gekrabbelt und hat die Decke über den Kopf gezogen. Von außen hat man nicht gesehen, ob sie nun drin lag oder nicht, so wenig war sie zu diesem Zeitpunkt. Es war auch für mich sehr schlimm.
Es kam dann zu einem Mechanismus, den ich erst jetzt verstanden habe. Ich habe große Teile der Hausarbeiten übernommen. Sie hat nicht gearbeitet, ich voll mit vielen Überstunden. Dementsprechend groß war die Belastung für mich. Trotzdem habe ich es getan, weil es ihr ja schlecht ging.
Meine Denkweise war: Ihr geht es schlecht, folglich muss ich sie entlasten. Also putze ich die Fenster. Anschließend erwarte ich Zuwendung (das meint NICHT Sex, sondern zum Beispiel Anerkennung)
Ihre Denkweise war: Mir geht es schlecht. Und der Typ putzt die Fenster, statt sich um mich zu kümmern. Und dafür will der auch noch gelobt werden?!
Aus dieser Situation heraus hat sie dann ihre erste Affäre begonnen - sinnigerweise mit einem Jüngelchen, das gerade mal halb so alt war wie sie. Ganz logisch: Dort konnte sie die Stärke demonstrieren, die sie in unserer Ehe eben nicht leben konnte.
Sie hat dann sehr früh wieder gearbeitet (unser jüngster war gerade zwei), auch das war ganz sicher eine Flucht. Gleichzeitig hat sie begonnen, sich mit Antroposophie auseinander zu setzen. Meine Frau ist ein Typ, der so etwas sehr, sehr intensiv tut. Sie hat das wirklich verinnerlicht, hat in dieser Welt gelebt. Diesen Schritt konnte und wollte ich nicht mitgehen - immerhin hatte ich sie als engagierete, sehr links stehende Gewerkschaftlerin kennengelernt. Sie hat sich innerhalb kürzester Zeit völlig gewandelt.
Das macht Kommunikation sehr schwierig, über Christuskräfte z.B. kann ich ganz schlecht diskutieren. Mein (immer wieder formulierter) Anspruch, dass es trotz alledem eine gemeinsam Kommunikationsebene geben müsse, ließ sich nicht erfüllen. Sie war nicht bereit, ihre Welt zu verlassen, auch ich konnte ihr allenfalls ein Stück weit entgegen kommen. Mit einigen antroposophischen Grundlagen habe ich mich befasst, ich wollte aber in diese Welt nicht völlig eintauchen.
So haben wir also nebeneinander her gelebt, Jahre lang. Ich habe mich abgeschottet, sie hat Trost in Steiners Schriften gefunden und ist dann vor vier, fünf Jahren in die Beziehung mit ihrem Freund geschlittert. Sie brauche diesen Mann als Gesprächspartner, hat sie mir gesagt. Ich konnte da zunächst nicht viel gegensetzen. Als ich dann merkte, dass das mehr war als eine Freundschaft, da war es zu spät. Da war diese Beziehung schon Betrug an mir und unserer Ehe. Diesen Betrug musste meine Frau unter anderem dadurch rechtfertigen, in dem sie sich ein "Bild" von mir zurecht zimmerte, das negativ war. Ansprüche, die ich hatte, musste sie fast zwanghaft zurückweisen.
All das haben wir nach der Trennung durch die vielen, vielen Gespräche erkannt. Es hat da Phasen großer Nähe, großen Verstehens gegeben. Es hat durch diese Ehrlichkeit auch sehr tief gehende Kränkungen und Verletzungen gegeben.
Für mich steht heute fest, dass wir uns einfach viel zu unterschiedlich entwickelt haben in den letzten zehn, 14 Jahren. Dadurch ging die Verbindung verloren. Wir hatten nach meinem Dafürhalten zu keinem Zeitpunkt eine wirkliche Chance, unsere Ehe zu retten. Wir hätten sie viel eher beenden sollen, es wäre uns viel erspart geblieben.
Seltsamerweise sind wir heute an einem Punkt, an dem es vielleicht gelingen könnte. Wir könnten uns, wenn wir uns heute kennen lernten, sicher ineinander verlieben und glücklich miteinander alt werden. Meine Frau lebt mit dieser Hoffnung. Für mich ist das kein Weg. Ich weiß, dass ihre letzte Beziehung immer zwischen uns stünde und ich stets eine immense Angst davor hätte, dass sich so etwas wiederholen könnte. Ich könnte nicht mehr ich selbst sein.
Ich hoffe, das hilft ein wenig weiter
redneb